Daheim im August 1
Ach, die kleine Sommerserie. Es wird, im vierten Jahr, nicht leichter für mich. In den vergangenen Augusten durfte ich Ihnen die besten Ruheplätze, die besten Gestade sowie zuletzt die besten Parks darreichen. Was jetzt? dachte ich. Wie nicht den Faden verlieren, wie in der Stadt bleiben und doch an der Natur dran, wie in diesem gewissen unwirklichen Gefühl, das man nur in einer halbentleerten, sommerlich brütenden Stadt findet?In solche Gedanken versunken, schritt ich mit einer passablen Melange im Becherl vom neu hergerichteten Stadionbadrestaurant über die große Wiese zu unserem bevorzugten Lagerplatz. Das Wirtshaus ist neu, dachte ich, eh besser, weil das alte war grindig, aber immerhin, so ging der Gedankenstrom weiter, immerhin ist der alte, riesige, fette Baum da noch derselbe.Der alte Baum? Ich blieb stehen, weil ich ihn mir genau anschauen wollte. Eine Pappel, soviel sah ich, geschätzte vier bis fünf Meter Stammumfang, eine Krone wie eine Cumuluswolke. Dann sah ich am Stamm die ehrwürdige Plakette, wie ein Piercing in einem faltigen Gesicht: „Naturdenkmal“ stand da. Ehrfurcht ergriff mich. Diese Plaketten hatten mich schon als Bub zum Schaudern gebracht. Sie hielten fest, dass dies hier nicht irgendein Baum war, sondern ein einzigartiger, irgendwie weltberühmter. Plötzlich ahnte ich meine Sommerserie. Naturdenkmäler. Naturdenkmäler und ich. Ich trieb die Liebste und die Brut an, wollte heim. Dort forschte ich: Der bewusste Baum war eine monumentale Schwarzpappel (Populus nigra), ein an sich häufiger, oft auch majestätischer, wenngleich selten gar so enormer Baum. Das Wirtshaus ist neu, dachte ich, eh besser, weil das alte war grindig, aber immerhin, so ging der Gedankenstrom weiter, immerhin ist der alte, riesige, fette Baum da noch derselbe. Der alte Baum? Ich blieb stehen. Dann fand ich heraus, dass der Begriff Naturdenkmal von Alexander von Humboldt stammt, der ihn erstmals in seiner „Relation historique“ benützt hat. Die Stadt Wien hat auf ihrer offiziellen Seite eine schöne Definition, die mich nicken macht: „Als Naturdenkmal qualifiziert sich eine Hervorbringung der Natur, angesichts deren imposanter Erscheinung sich der Mensch innerlich verneigt.“So ist es. Weitere Recherchen ergaben, dass es Hunderte Naturdenkmäler in Wien gibt. Ich würde mich total eklektizistisch nähern müssen. Als Nächstes, das spürte ich, würde ich an meinen Ursprung zurückkehren. Nach Döbling. Fortsetzung folgt.
ernst. molden(at)kurier.at