Die hungernden Museumsmanager
Von Thomas Trenkler
Ein paar Hungernde leben, verkleidet als seriöse Museumsmanager, mitten unter uns.
über Aussagen von Museumsleitern
Zwischen 800 und 870 Millionen Menschen leiden an Hunger. Das heißt: Ungefähr jeder Neunte weltweit hat zu wenig zu essen. Diese Menschen leben, wie man so sagt, "von der Hand in den Mund", sie können sich nichts sparen. Und wenn sie etwas kaufen wollen, Medizin zum Beispiel, dann müssen sie sich diese Dinge "vom Mund absparen". Also noch mehr hungern.
Die Hungernden leben zu 98 Prozent in Entwicklungsländern: hauptsächlich in Asien, in der Pazifikregion, in Afrika, aber auch in Lateinamerika. Und ein paar leben, verkleidet als seriöse Museumsmanager, mitten unter uns. Peter Pakesch, Intendant des steirischen Landesmuseums Joanneum und des Grazer Kunsthauses, zeichnete kürzlich in einem Interview mit dem Standard ein düsteres Bild über die Zustände: "Derzeit lebt man von der Hand in den Mund." Wenige Tage später klagte Paul Frey, der Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums, bei einer Pressekonferenz: "Wir haben uns die Velázquez-Ausstellung vom Mund absparen müssen."
Diese Velásquez-Retrospektive sorgte im vergangenen Jahr zwar für einen Besucherrekord und damit auch für erhebliche Einnahmen. Aber die Entbehrungen müssen furchtbar gewesen sein: Paul Frey und die KHM-Mitarbeiter haben sich die Ausstellung "vom Mund absparen müssen".
Es stimmt zwar, dass man die Subvention für das Joanneum zwischen 2010 und 2012 von 19,03 auf 16,18 Millionen Euro reduzierte. Und es stimmt auch, dass die Basisabgeltung für das KHM in den letzten Jahren stagnierte. Trotzdem: 2014 erhielt das Joanneum von der öffentlichen Hand 17,1 Millionen Euro, das KHM deren 23,8 Millionen.
Aufgrund steigender Armut ist für viele Menschen hierzulande der Besuch kultureller Veranstaltungen nicht mehr leistbar. Im Jahr 2003 rief Airan Berg, damals Direktor des Wiener Schauspielhauses, die Aktion "Hunger auf Kunst & Kultur" ins Leben. Sie ermöglichte sozial benachteiligten Menschen den freien Eintritt zu den Theaterveranstaltungen.
Schon bald schlossen sich weitere Veranstalter an, heute gibt es 450 Partnerorganisationen in sechs Bundesländern. Mit dem "Kulturpass" können Menschen, die wirklich "von der Hand in den Mund leben" müssen, ein wenig teilhaben an der subventionierten Hochkultur. Wenn sie angewidert sein sollten von den Aussagen der Museumsmanager: Wer könnte es ihnen verdenken?
Elisabeth Freismuth, Rektorin der Grazer Kunstuniversität, bedankte sich für die Anmerkungen zum steirischen Interpretationspreis, der – wie am letzten Montag in dieser Kolumne zu lesen war – seit 1998 nach dem Hitler-Günstling Karl Böhm benannt ist. Eine "adäquatere Benennung" stünde bereits auf der Agenda. Die Salzburger Festspiele – im Festspielbezirk gibt es den Böhm-Saal – reagierten hingegen nicht.