Der Musikverein, die letzte Männerbastion
Von Thomas Trenkler
Das nennt man 'Tradition'. Mit einer solchen könnte man ja im 21. Jahrhundert brechen. Oder?
über den Musikverein, 'die letzte Männerbastion'.
Maria Schaumayer, die resolute Dame mit Hang zu Handtaschen, eroberte schon früh die Männerwelt – zunächst, ab 1956, in der Creditanstalt. 1990 war sie die erste Frau weltweit an der Spitze einer Notenbank. Und auch in der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien stellte sie, die große Mäzenin, ihren Mann. Doch Schaumayer starb am 23. Jänner 2013. Seither gibt es in den Leitungsgremien der Musikfreunde keine einzige Frau.
Es gab auch vor ihr kaum eine in der mehr als 200 Jahre währenden Geschichte des Vereins. In Erinnerung ist lediglich Adelheid Hink, die von 2002 bis 2011 den Singverein leitete – und daher automatisch Mitglied der Direktion war. Gerüchteweise mussten wegen dieser allerersten Frau sogar die Statuten geändert werden.
Die Direktion besteht gegenwärtig aus zwölf Personen, ausschließlich Männern, und drei von ihnen bilden mit Thomas Angyan, dem höchst erfolgreichen Intendanten seit 1988, das Präsidium: Thomas Oliva, der beim Einkaufen immer auf die Marke achtet, ist seit 2012 Präsident, als Stellvertreter fungieren ATV-Eigentümer Herbert Kloiber und Rechtsanwalt Johannes Stockert.
Der Direktion beratend zur Seite steht der Senat. Er setzt sich aus ehemaligen Direktionsmitgliedern und gewählten Persönlichkeiten zusammen, die sich um den Musikverein verdient gemacht haben. Samt und sonders Männer, derzeit stolze 28 an der Zahl.
Angyan ist nicht wirklich "amused", wenn er auf die Frauenquote angesprochen wird. Denn er könne ja nichts dafür, dass sich fast nur Männer verdient gemacht hätten.
Die Männer haben eben noch immer die Funktionen inne, in denen sie sich leicht verdient machen können. Sie leiten Banken, Firmen und Konzerne. Was dazu führt, dass in der Direktionsloge des Musikvereins nur Männer sitzen. Die Ehefrauen sitzen abseits.
Das nennt man "Tradition". Mit einer solchen könnte man ja im 21. Jahrhundert brechen. Oder? Angyan nickt. Es sei denkbar, in der Direktion die Öffnung der Loge für Frauen zu diskutieren. Und eines ist ihm wichtig: Es gebe mehr Mitarbeiterinnen als Mitarbeiter.
Noch wichtiger sind ihm aber die Finanzen. Angyan ärgert, dass Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) die Subvention kürzte – von 475.000 auf 200.000 Euro. Doch der Verein hat aufgrund von zweckgebundenen Erblassungen enorme Rücklagen. 2008 bezifferte das Kontrollamt das Anlagevermögen "des hervorragend ausgestatteten Vereins" mit 41 Millionen Euro. Die Gesellschaft sei daher "auf keine finanziellen Förderungen des laufenden Betriebes durch die Stadt Wien" angewiesen. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) gewährte dennoch Jahr für Jahr 545.000 Euro. Denn er möchte, wie er sagt, "eine gut funktionierende Kultureinrichtung nicht dafür bestrafen, dass sie gut gewirtschaftet hat".
Angyan hofft, dass sich daran nichts ändert. Schließlich ist der Musikverein ein Aushängeschild, der Goldene Saal ein Wahrzeichen. Man sichere Arbeitsplätze, fördere die Jugend, erhalte das Gebäude. Es wäre fatal, wenn die Rücklagen aufgebraucht werden müssten. Denn die Erträge aus diesen ermöglichen die Finanzierung des prächtigen Programms.
Ach ja: Maria Schaumayer hatte gehofft, dass eine Frauenquote generell nicht notwendig ist. Sie kam aber 2011 "eher zu dem Schluss, es wird sich nicht vermeiden lassen".