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Tagebuch: Vermessen

Nur ganze 270 Spielminuten kann der neue österreichische Teamchef in den nächsten acht Monaten sein strategisches Geschick beweisen. Die erste WM-Qualifikationspartie findet überhaupt erst in fast einem Jahr statt. Trotzdem löst die Bestellung von Marcel Koller ein Echo aus, wie es früher nicht einmal beim Amtsantritt von Ernst Happel oder Hans Krankl zu vernehmen war. Und warum? Weil Koller Schweizer ist; weil Medien - anders als zu Cordoba-Zeiten - gnadenlos auch das Privatleben ausleuchten, weshalb sich Koller schon vorwerfen lassen musste, eine gescheiterte Ehe mit einer Österreicherin verschwiegen zu haben; weil Koller noch keine Überdrüber-Mannschaft trainiert hat. Vor allem aber, weil Trainerkollegen im ständigen ÖFB-Lob für die ÖFB-Trainer-Ausbildung und der ÖFB-Verpflichtung eines Ausländers einen krassen Widerspruch sehen. Red-Bull-Leipzig-Trainer Peter Pacult meinte als Studiogast von Servus TV gar keck, dass nur einer Teamchef werden durfte, der nicht größer als ÖFB-Präsident Leo Windtner sei. Ob diese Behauptung von PP, den Arbeitgeber Dietrich Mateschtiz seinen "Lieblingsmundl" nennt, originell, treffend oder geschmacklos war, darüber mag gestritten werden. Tatsache ist, dass im Fußball gerade die Kleinen konträr zur körperlichen Entwicklung des Europäers (plus 1,6 Zentimeter in den letzten 15 Jahren) immer größere Erfolge feiern. Siehe Iniesta, siehe Messi. Siehe der ganze FC Barcelona, der als Team mit der geringsten Durchschnittsgröße die Champions League holte. Auch die bestbezahlten Trainer der Welt, Jose Mourinho und Fabio Capello, sind keine Riesen. Wünschen wir dem unwesentlich schmächtigeren Herrn Koller, dass er mit solchen Wunderwuzzis noch einmal auf Augenhöhe kommt.