Trautes Heim...
Von Gabriele Kuhn
Es gibt diesen bestimmten Moment. Ich nenne ihn den "Moment der Wahrheit". Da ist dieser Mann und man ist in seine Wohnung gekommen, um zu bleiben. Nicht ein ganzes Leben, aber wenigstens einen One-Night-Stand lang. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht – aber es gibt kaum einen effektiveren Libido-Killer als ein geschmacklos eingerichtetes Herren-Appartement.
Ich finde zum Beispiel, dass Männer absolut! keinen! Türkranz am Entree zu ihrer Wohnung hängen haben dürfen. Es sei denn, sie sind verheiratet und die Frau ist gerade mit Freundinnen in einer Therme. Ein Türkranz symbolisiert das Entree in eine Welt, wo Mutter, Vater, Kind am Nachmittag beim Esstisch sitzen und bei Kaffee, Schlagobers und Guglhupf Cluedo spielen. In so einer Welt gibt es (hoffentlich) viel Liebe, Kuchenbrösel, aber eher weniger Doggy-Style-nachmittags-Nummern auf dem Küchenboden. Sollte ein männlicher Solist sich tatsächlich irgendwann einmal aufgemacht haben, um einen romantischen Türkranz (mit bunten Schleifchen, Vogerln, herzigem Dekor) zu erstehen, ist er mit Vorsicht zu bumsen. Es könnte sein, dass er anderntags vorschlägt, man könne ja mal ein verlängertes Wochenende auf dem Lande verbringen. Zu dritt, mit seiner Frau Mama im Picknickkorb.
Umso mehr stimme ich einem gewissen Herrn Le Van Bo zu. Der 35-jährige Architekt empfiehlt eine sextaugliche Einrichtung. In einem Interview mit dem Magazin "Neon" meint er etwa, dass auf Sofas keine Armlehnen fehlen dürften: "Haben Sie schon mal probiert, auf einem Sofa ohne Armlehnen zu knutschen? Das ist fortpflanzungsfeindlich."
Mir persönlich ist das Vorhandensein von Armlehnen beim Knutschen oder sonstiger Erotik-Nahkampf-Tätigkeiten eher wurscht – Hauptsache, es befindet sich darauf kein selbstgehäkelter Überwurf aus der Erbmasse der Lieblingsoma. Es sollte außerdem nicht aus speibgrünem Skyleder gemacht sein. Ich würde zudem nur ungern mein Haupt oder meinen Hintern auf einem Polster betten, der durch das Konterfei der Lieblingskatze/des Lieblingshundes oder – noch schlimmer – des Lieblingsfußballers, entzücken soll.
Aber wie könnte eine "sexfreundliche" Einrichtung denn aussehen? Ich finde, es muss viele Plätze zum "Niedersinken" geben. Als extrem erotisch empfinde ich eine Chaiselongue – sie ist das Luder der Liegen und lädt wie kein anderes Möbelstück zur Unsittlichkeit ein. Ein Kamin hat seine Wirkung noch nie verfehlt – ein Bärenfell davor fällt für mich allerdings in die Kategorie "Potenzprotz". Und weil ich von Büchern nie genug kriegen kann: Je mehr prall gefüllte Regale, desto lustvoller.
Da fällt mir das Buch "Pornotopia" von Beatriz Preciado ein. In dem geht’s um den Hasenstall des Playboy-Chefs und Pyjamaträgers Hugh Hefner. Seine "Playboy-Mansion" galt als architektonischer Gegenentwurf zur häuslichen Biederkeit der 1950er- und 1960er-Jahre. Alles ist hier auf das Leben in der Horizontale ausgerichtet – mit großem, rundem Bett als Epizentrum des Hedonismus. Gearbeitet wird im Liegen, man empfängt Gäste in Bett und Pyjama. Ob das erotisch ist? Für mich nicht – zu viel Kalkül, zu viel Ego-Inszenierung. Dann vielleicht doch lieber Türkranz.
gabriele.kuhn(at)kurier.at