Meinung/Kolumnen/sex in der freizeit

So ausschauen wie alle

Die Pimp-my-Muschi-Welle hat auch die österreichischen Frauen erreicht.

Gabriele Kuhn
über Vorbilder und den data-pg-spunq--idealen Körper

Irgendwann einmal, es ist lange her, sagten ein paar Leute zu mir, ich sei hysterisch. Ich hatte ihnen erzählt, dass es in den USA Frauen gäbe, die sich die Vagina operativ verjüngen ließen – frische Schamlippen, enge Muschi. Ich sagte auch: „Ihr werdet sehen, das kommt irgendwann zu uns.“ Alle lachten, weil: Blödsinn!

Was ist passiert? Das ist passiert: Die Pimp-my-Muschi-Welle hat natürlich auch die österreichischen Frauen erreicht, das Untenrum-Tuning ist längst nichts Exotisches mehr, sondern etwas, das man sich genauso gönnt wie Lidstraffung, Brust-OP oder Nasenkorrektur. Folglich gibt es kaum mehr einen Beauty-Doc, der dieses Angebot nicht im Schnipsel-Talon hat. Daher habe ich in den vergangenen Jahren oft und kritisch darüber geschrieben. Doch so sehr ich mich darüber wundere, so sehr muss mir das wurscht sein. Weil erwachsene Frauen mit ihrem Körper machen können, was sie wollen. Wenn eine 50-Jährige meint, sie müsse die Vagina einer 15-Jährigen haben, dann ist das fragwürdig, aber ihr Ding. Ich find’s halt traurig. Traurig, dass sich so viele Frauen einer „Korrektur“ unterziehen, mit dem Gedanken: Ich korrigiere mich. Ich korrigiere meine Vagina. Die ist ein Fehler.

Aber das ist es ja leider noch nicht. Denn nun wurden auch Jugendliche vom Optimierungsvirus erfasst. In ihrem Werteschema nimmt das Schön-sein-Müssen einen immer höheren Stellenwert ein – Perfektion als Gradmesser für Leistungsfähigkeit. Die Brust-OP zur Matura kommt tatsächlich häufiger vor, als man ahnen mag. Es geht noch ärger. In den USA wollen immer mehr Teenager eine Genitalkorrektur. Ja stimmt, das ist noch kein Thema bei uns – aber, wetten, bald. Derzeit stehen bei den ganz Jungen Fettreduktion und hübsche Nasen auf der Wunschliste. Anders in den USA, dort schrieb die renommierte New York Times vor kurzem, dass viele Teenager einen kosmetischen Chirurgen aufsuchen, um sich die äußeren Genitalien neu formen bzw. trimmen zu lassen. Das sei mittlerweile so häufig, dass die Gesellschaft der Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe eigene Empfehlungen formulieren musste. Etwa, dass Ärzte darauf zu achten hätten, was wirklich hinter diesem Wunsch stecke. Oder darauf hinweisen müssten, dass diese Prozedur insoferne heikel sei, als etwaige Nervenverletzungen, die durch die OP entstehen können, sich auf das sexuelle Empfinden negativ auswirken könnten. Ganz abgesehen davon, dass die gesamte Anatomie so junger Menschen noch gar nicht fertig ist. Und dennoch: Die Nachfrage ist genauso da wie der Wunsch, dort unten so auszusehen, wie es all die Bilder im Internet zeigen – zumal die haarlose Vulva ja heute Standard ist und alles besonders sichtbar macht. Dass diese Bilder bis zum letzten Fleischlapperl photogeshopt sind, ist den meisten natürlich nicht klar. Das erfüllt mich mit Zorn. Weil ich es satt habe, wie im Netz permanent Trugbilder konstruiert werden und eine Schönheitsrealität, die es nicht gibt. Und weil so viele auf diesen Irrsinn hereinkippen. Was hilft? Reden! Unbedingt. Viel! Auch wenn es die Kids anödet, irgendwas davon bleibt haften. Über Trugbilder und Täuschung, über Selbst-Wert und Selbst-Liebe. Über das, was eine Frau ausmacht. Dass Schönheit ganz viel mit Seele zu tun hat und mit Individualität. Und deshalb keine Vulva der anderen gleicht.

gabriele.kuhn@kurier.at