sex IN DER FREIZEIT: Solo-Karriere
Von Gabriele Kuhn
Vögeln, Onanieren, Schlagen, Küssen, Lieben, Sehnen, Mögen und Nichtmehrmögen - mit diesem vollmundigen Verbal-Vorspiel warb der Rabenhof für die Produktion "Porno", die am Mittwoch Premiere hatte. Ein Theaterabend, für den meine Kollegin Ela Angerer "die schonungslos autobiografischen Texte" u.a. von Thomas Glavinic, freizeit-Kolumnist Joachim Lottmann oder Kabarettist Robert Palfrader bühnenreif inszenierte (www.rabenhof.at). Im Vorfeld machte mich vor allem Palfrader neugierig - dem breiten Publikum als näselnder "Kaiser" von den Bildschirmen bekannt. Der sagte nämlich: "Ich bin ein überzeugter Wixer". Nun, dem Kaiser würde man diesen Satz schon aus Höflichkeit und Respekt nicht zutrauen, Palfrader schon eher. Was wiederum nichts mit mangelnder Achtung, sondern mit Menschenkenntnis zu tun hat. Und mit dem Faktum, dass er einen eigenen Text zum Thema "Masturbation" interpretiert. Ich finde diesen Satz, der ja fast als kleine Lebensbeichte daherkommt, sehr sympathisch. Er macht einen Star in jeder Hinsicht angreifbar - zudem finde ich das Kopfkino sehr nett, das unweigerlich im Kontext seiner Worte loszurrt. Keine Ahnung, ob ich Herrn Palfrader jemals wieder völlig unbefangen die Hand reichen kann. Aber gerade solche Momente machen die Magie des Lebens aus. Dennoch finde ich mich etwas irritiert wieder - genauso wie Leser J, Leserin K und auch mehrere Kolleginnen und Kollegen. Sie alle stellten die Frage: Schreibt man das Verb "wixen" nicht korrekterweise "wichsen"? Flugs war das zentrale Werk des Obszönen - "Sex im Volksmund" von Ernest Borneman - gezückt, in dessen Inhaltsverzeichnis sich kein einziges "Wixen", aber eine Vielzahl von Wortkombinationen mit "Wichsen" findet: Wichszapfen, Wichswarze (beide obszön für "Klitoris") ebenso wie Wichsrampe (das Bett, in dem jemand Hand an sich legt) oder Wichsladen (obszön für "Scheide"). Erst im Netz wurde ich auf einer Art Schimpfwörterseite aufgeklärt, dass das Wort sowohl mit x als auch mit ch gebräuchlich sei, und etymologisch betrachtet, selbstverständlich nicht vulgären Ursprungs ist. Es kommt von "Wachs" bzw. "Wachsen" - womit die Handbewegung gemeint war, mit der z. B. Böden oder Schuhe gesäubert wurden. Folglich waren die Begriffe "Stiefelwichsen" oder aber "Wichsmädel" für weibliches Dienstpersonal weder unüblich noch anstößig. Zudem kam das Wort auch im Zusammenhang mit Watschen oder Prügel zur Verwendung: "Der Schlingel, der seine Schuldigkeit unterließ, wurde gewichset." (Lessing) Das Leben ist Veränderung, irgendwann war's mit der verbalen Unschuldsvermutung vorüber - nur wenige denken heute laut daran, am Sonntag ihr Auto zu wixen/wichsen. Robert Palfrader hätte allerdings auch mit Unüblicherem aufwarten können, indem er seine (Zu)Neigung verbal anders verpackt hätte, etwa: "Ich bin ein überzeugter Rebler", "Ich bin ein überzeugter Zupfgeigenhansl", "Ich bin ein überzeugter Taschenspieler", "Ich bin ein überzeugter Schweifwuzzler" oder - mein Liebling: "Ich bin ein überzeugter Alleinunterhalter". Da hätten die Leute ganz sicher etwas zum Nachdenken gehabt. gabriele.kuhn(at)kurier.at