sex IN DER FREIZEIT: Illusionen, Illusionen
Von Gabriele Kuhn
In meiner Sammlung literarischer Fehltritte entdeckte ich unlängst neben Jackie Collins' "Das Superbiest" das Buch "Träume" von Harold Robbins. Zumindest Robbins betreffend habe ich eine gute Ausrede. Sein Verleger veröffentlichte dessen ersten Roman, weil "es das erste Mal war, dass er ein Buch gelesen hatte, bei dem er auf einer Seite weinen musste und auf der folgenden Seite einen Ständer kriegte". Das macht naturgemäß neugierig. Wie allerdings das Werk "Ja!" - 10 Regeln, den Mann fürs Leben zu finden und zu heiraten" - samt goldenem "Mit-Göttergatten-Garantie"-Siegel - in meine Bibliothek geraten ist, kann ich mir nicht erklären. Ich habe es weder im posttraumatischen "Mein-Gatte-sucht-immer-seine-Socken-und-fragt-dauernd-mich"-Stress erstanden, noch leide ich an Amnesie. Vielleicht gehört es ja gar nicht mir, sondern meinem Mann. Oder meiner Putzfrau. Trotzdem blätterte ich darin, auch um herauszufinden, ob es allenfalls ein nettes Geschenk wäre - für jemanden, den ich weniger gut leiden kann. Und freilich, um nachzulesen, was Frauen da so geraten wird. Wie erwartet, geht es um tarnen, täuschen, listig sein: Wie tue ich so, dass er überzeugt ist, ich wäre Vamp, Bügelweltmeisterin, Gourmetköchin und Olympiasiegerin im Langstrecken-Blow-Job in einer Person? Wie wirke ich, dass er denkt, ich wäre tolerant, vor allem aber stets bereit? Wie gaukle ich ihm vor, ich wäre nie beleidigt, nie zickig, nie eifersüchtig? Und locke ihn so vor den Altar. Das geht, lerne ich. Etwa mit dem hübschen Mantra "Wecke die Königin in dir". Demnach solle man als Frau königlich, gelassen, losgelöst und weiblich wirken - mit, eh klar, "dem gewissen Etwas". Dass man schon ein Jahr später eher unköniglich Socken im Bett tragen, jedes Fußballmatch mit Keifen untermalen und sein Handy heimlich kontrollieren wird, muss er echt nicht wissen. Nur die Lüge zählt. Naja. Ich war ja immer eine, die rasch mit den Schattenseiten rausrückt. Natürlich tanzt man zur ersten Begegnungen mit einem möglichen Beziehungskandidaten nicht als Klobesen an. Tut nett, patzt und rülpst nicht, macht auf schöngeistig und - falls nötig - ein bisschen fußballinteressiert. Auch beim Sex schadet's nicht, die ganz große Nummer zu schieben. Beim ersten, zweiten und dritten Vögeln empfiehlt es sich kaum, das Bügelbrett zu geben, sondern eher etwas in Richtung Kunstturnerin oder Mata Hari. Das beeindruckt, da lassen sich Bonuspunkte sammeln. Auch, wenn die Bandscheiben dann etwas mucken. Das alles fällt unter die Kategorie "anfängliches Bemühen" - auch im Sinne von Wertschätzung. Dann aber müssen die Karten rasch und offen auf den Tisch. Wer authentisch agiert, dem wird Authentizität begegnen. Möglichst früh Schwächen, Ängste, Vorlieben und Abneigungen durchschimmern zu lassen, ist eine Form von Kummer-Prophylaxe. Und beugt Missverständnissen vor - auch in der Horizontale. Mimen Sie also nicht die Stellungskriegerin, wenn Sie eigentlich am besten in der Missionarsstellung kommen. Schlucken Sie nichts, was Ihnen nicht schmeckt. Sagen Sie nein, wenn Sie nein fühlen. Und vögeln Sie nur, wie Ihr Herz begehrt. Dann bleibt's lustig - oft auch ein Leben lang.