Meinung/Kolumnen/sex in der freizeit

Die Frauenversteher-App

Zwischenfrage: Gibt’s allenfalls auch eine App, mit der man Blödheit abstellen kann?

Gabriele Kuhn
über eine App, die weibliche Lust messen soll

Denkst du noch oder hast du schon eine App, die dir das abnimmt?“, wurde ich unlängst von einer Freundin gefragt, deren Zeitmanagement-App gerade spinnt. Zum Thema "spinnen": Dieser Tage flatterte Journalisten ein Pressetext ins E-Mail-Postfach, mit dem Titel „Neue App lotet weibliche Stimmung für Sex aus“. Das Ding namens „Female Forecaster“ („für Freunde und Ehemänner“) versteht sich als Hightech-Kristallkugel, die Männern hilft, die Stimmung und sexuelle Lust ihrer Partnerin vorherzusagen. Der Subtext: „Männer, ist es euch schon einmal passiert, dass ihr durch die sich permanent verändernde Stimmung eurer Freundinnen oder Frauen irritiert wart? Habt ihr euch schon mal gewundert, warum sie an einem Tag totale Lust hat und an einem anderen Tag überhaupt keine? Und habt ihr euch gedacht, dass es super wäre, könnte man das alles voraussehen? Dafür gibt es nun den Female Forecaster.“ Simpel formuliert, handelt es sich dabei um einen Art Wettbericht für ihre sexuelle Stimmungslage.

Ja, ich will - Fake News?

Jetzt werden Sie sich natürlich fragen, wie das Zeug funktioniert, das habe ich mich nämlich auch gefragt. Reicht ein heimlich aufgenommenes Foto, das dann mit Hilfe eines hochkomplizierten Algorithmus schlichte Ergebnisse zum aktuellen Geilheitsstatus liefert? Muss man allenfalls irgendwelche Körperflüssigkeiten aufs Smartphone pappen, um zu erfahren, dass Madame heute leider indisponiert ist? Oder soll man das Mikro bemühen und die Partnerin irgendwas sagen lassen – etwa: „Ja, ich will.“ Und die App spuckt dann anhand der Stimmlage die wahre Stimmungslage aus, nämlich: Stimmt nicht, ätsch. Fake news. Alles nur gelogen! Nichts dergleichen, alles viel zu simpel. Der „Female Forecaster“ folgt dem weiblichen Zyklus und gibt anhand des Hormonstatus Informationen, was gerade los ist. Die Entwickler berufen sich auf sogenannte „Wissenschaft“ als Basis für ihre Erfindung. Da heißt’s in der Beschreibung der App: „Jede tägliche Prognose basiert auf Hunderten von Studien, die zeigen, wie die Hormone einer Frau ihre Emotionen, Libido sowie ihren geistigen und körperlichen Schwung beeinflussen.“ Täglich liefert der „Female Forecaster“ dann die Prognose zur aktuellen Koitusbereitschaft. Damit der Mann die sexuelle Stimmungslage seiner Frau unter Kontrolle kriegt, muss er sie aber fragen – etwa nach der Länge ihres Menstruationszyklus und allerlei anderes, von dem er normalerweise eher nix wissen möchte. Die er aber, um die App irgendwie zum Laufen zu bringen, eingeben muss. Selbstverständlich schwebt über all dem unendlicher Altruismus, weil Männer auf diese Weise verstehen lernen, das Geheimnis „Frau“ und ihre komischen Launen, Aufs und Abs zu deuten (Scherz*) – und Punkt. So weit kommt’s noch. Gibt’s allenfalls auch eine App, mit der man Frechheit abstellen kann? Denn natürlich schwebt über all dem der Hautgout eines sexistisch gefärbten „Big-Brother-is-watching-you“, das das Wesen Frau auf ihren Hormonstatus reduziert und den Rest irgendwie kontrolliert. Alleine für den Satz „Der Female Forecaster liefert Ihnen eine tägliche Vorschau auf das, was Sie von Ihrem Schatz erwarten können“ gebührt denen die Zitrone des Jahrzehnts. Allenfalls liefert so eine Morgenschau im Sinne von „Tag 25 – heute ist eher Zärtlichkeit angesagt“ die Legitimation für einen Besuch im Puff seines Vertrauens oder einen Herrenabend bei Bier und derben Witzen. Ganz abgesehen davon: Wie wär’s mit reden? Oder fragen? So ein „Wie geht’s dir heute, Liebes?“ oder „Hast du Lust?“ tut auch gar nicht weh.

gabriele.kuhn@kurier.at