Meinung/Kolumnen/sex in der freizeit

Sex: Guck mal, wer da steht

Warum, um Himmels willen, tun die das?

Gabriele Kuhn
über das sogenannte Dick Pic

Das sogenannte Dick Pic – also Penisbild, gerne auch Penis-Porträt genannt – wurde ja erst durch die Erfindung des Internets zur mehr oder minder beeindruckenden Möglichkeit, bei Damen vorstellig zu werden. Früher hätte keiner die Spiegelreflex ausgepackt, einen ganzen Film durchfotografiert, den zum Entwickeln gebracht und schließlich die Fotos per Post verschickt, oder? Heute ist das viel einfacher: Smartphonekamera zücken, Hose runter, Nudel raus, und knips! Dann das gute Stück per Knopfdruck verschicken, an Zielpersonen, denen man zuvor auf diversen sozialen Plattformen oder sonstwo begegnet ist. Motto: Guck mal, wer da steht.

Wie die Empfängerinnen dieser Bilder einer Aufstellung darauf reagieren, ist unterschiedlich. Dieser Tage kursierte die Geschichte einer 28-jährigen Frau namens Sarah-Louise Jordan durchs Netz, die auf das Penisfoto eines Fremden mit einem zwei Seiten langen Brief reagierte. Und der mit dem Satz „Danke für Ihre unerwartete und nicht angeforderte Einreichung Ihres Penisporträts zur Begutachtung. Wir bedauern, Sie informieren zu müssen, dass es unseren Qualitätskriterien nicht entspricht“ beginnt. Der Brief wurde viral – zum Amüsement vieler, denen ähnliches widerfahren ist.

Ich bin überzeugt, es gibt eine Menge originelle Wege, solchen Typen den Spaß zu verderben. Nicht darauf zu reagieren ist einer, aber man kann perfider sein. Antworten gibt es viele, etwa: „Danke für die Einsendung Ihrer Bewerbung, aber leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns für einen anderen Kandidaten entschieden haben, der besser zu den von uns geforderten Kriterien passt.“ Oder: „Leider ist das Foto nicht scharf genug.“ Sowie: „Danke für Ihr Bewerbungsfoto, aber leider passen Sie damit nicht in einen GROSSbetrieb“ (Mäßiger Sickerwitz, aber immerhin). So weit, so schlecht.
Viel interessanter ist ja die Frage, warum einer überhaupt auf so eine depperte Idee kommt. Dazu habe ich mich in einem Online-Forum umgesehen, wo Frauen dieses Thema diskutieren. Eine meint: „Auf diese Art zeigen sie ihr Hirn“. Eine weitere zitiert Nietzsche: „Siehst du einen Riesen, so prüfe den Stand der Sonne und gib Acht, ob es nicht der Schatten eines Zwerges ist.“ Noch eine Frau mutmaßt, dass Männer von sich auf andere schließen: Weil sie auf visuelle Reize reagieren, nehmen sie an, Frauen ticken ähnlich und würden entzückt sein, wenn sie Nudel-Post bekommen. Vielleicht leidet so ein Dick-Pic-Mann aber einfach nur an Ausdrucksarmut und meint, sein Prachtstück wäre tatsächlich ein Argument. Motto: Ein Schwanz – ein Wort. Ganz sicher steckt dahinter eine Form von Exhibitionismus – früher ließ einer sein Ding in der Öffentlichkeit raushängen, um damit Frauen zu schockieren, heute tut er das so. Ganz sicher ist so ein Penisbild seine Art, Macht zu demonstrieren.

Wie auch immer: Man sollte Anbahnungen dieser Art nicht ernst nehmen – damit nimmt man dem Pic-Dick-Mann Kontrolle und Macht. Oder aber man macht was daraus – wie Whitney Bell. Sie vereinte 200 ungewollte Schwanzbilder zu einer Ausstellung namens „I Didn't Ask For This: A Lifetime of Dick Pics“. Auf die Frage, was eine Frau am besten macht, wenn sie so ein unerwünschtes Penisbild bekommt, antwortete sie übrigens: „Einfach ein Foto von einem schöneren Penis zurückschicken.“

gabriele.kuhn@kurier.at