Sex: Der Befreiungs-Akt
Von Gabriele Kuhn
Dieses eine Mal noch vögeln gab ihr das Gefühl, eine Lücke für immer geschlossen zu haben.
Das letzte Mal Sex mit dem Ex.
Wenn die Liebe zwischen zwei Menschen endet, tut’s weh. Egal, wie lange die Beziehung gedauert hat – vier Monate oder vier Jahre.
Häufiges Problem: Meist ist da jemand, der mehr liebt (und vom Bruch so überrascht wie gekränkt ist) und jemand, der weniger liebt (und den Bruch initiiert hat, also froh ist, dass er sich elegant vertschüssen kann). Einer fühlt dann Herbst, der andere Frühling. Interessant ist, dass dem Schmerz relativ rasch so etwas wie Wut folgt. Denn je länger darüber gegrübelt wird, warum wieso und weshalb ausgerechnet jetzt passiert, was passiert, desto mehr baut sich eine Form von So-ein-Arsch-Stimmung auf. Dann beginnt sich das Gefühls-Karussell des Abschieds zu drehen: Arschloch! Bleib doch! Arschloch! Komm wieder zurück!
Emotional oszilliert jetzt die Seele zwischen Nord- und Südpol. In diesem Spannungsfeld passieren oft eigenartige Sachen. Freundin F – sie hatte erst vor kurzem ihren 36. Geburtstag – wurde vor ein paar Wochen von ihrem Langzeitpartner (immerhin 10 Jahre) verlassen. Nicht, weil eine andere besser und spannender vögelt, sondern, weil sein Mannsein ganz dringend eine Detox-Kur braucht, in der alles Belastende entsorgt werden muss. Auch F, die bis dato recht Liebste, passt da leider nicht mehr als Schnittlauch auf sein Seelen-Fastensüppchen. Die Gute will und kann das nicht verstehen, logisch. Sie weinte und hasste und hasste und weinte.
Dazwischen geschah Spannendes. F hatte nach einer angemessenen Trauerzeit von zwei Wochen in der Folge insgesamt drei Überbrückungs-One-Night-Stands. „Verzweiflungssex, alles nur Verzweiflungssex, ganz schlecht“, sagten dazu die ratschlagenden Einflüsterer – meist Damen in (noch) intakter Beziehung. Ich hingegen sage: mag sein. Doch Menschen verarbeiten Abschiede unterschiedlich. Für manche wirkt die Zuwendung in der Horizontale halt wie Rescue-Tropfen und Wundsalbe auf einmal. Auch, weil damit eine „Na also-geht-doch-noch-Stimmung“ aufkommt. Selbst wenn das alles durch ein paar schnelle Shots und doppelte Jägermeister befeuert wurde – am Ende blieb F das Gefühl, dass ein Leben nach dem Liebestod existiert. Das kann helfen. Aber natürlich gibt es auch solche, die in so einer Situation die Nonnen- bzw. die Mönchs-Nummer auspacken und Zwischenmenschlichkeit nur mehr in Form extrem komplizierter Meta-Ebenen-Gespräche zulassen. Sonst wird gemalt, meditiert und das Sein im Dunste von Räucherstäbchen neu definiert.
Was ebenfalls häufig passiert, wozu ich aber eher weniger raten kann: die finale Nummer mit dem/der Ex. Auf manche wirkt sie wie ein Befreiungsakt. Wie bei G, die nach drei Monaten Trennung ihren Ex-Freund bei einer Party wiedertraf und danach mit ihm im Bett landete. Anderntags bekam ich von ihr eine SMS: „Weißt du, jetzt habe ich das Gefühl, diese Sache ist endlich abgeschlossen, rund und komplett.“ Dieses eine Mal noch vögeln gab ihr das Gefühl, eine Lücke für immer geschlossen zu haben. Und ja, das ist rational kaum erklärbar. Doch diese Lücke definierte sie so: Ich wollte ihm einmal noch zeigen, dass man mit mir unvergesslichen Überdrüber-Sex haben kann. In den meisten Fällen ist der Erotik-Aufguss mit Verflossenen jedoch prolongiertes Bohren in einer nicht verheilten Wunde. Was vorbei ist, ist vorbei, Baby Blue.
gabriele.kuhn@kurier.at