Meinung/Kolumnen/sex in der freizeit

Ich bin dann mal weg!

Was, wenn jemand auf die Sex-Mittagspause pfeift? Fangen dann alle zu tuscheln an?

Gabriele Kuhn
über Sex mit Robotern

Dass guter Sex der psychischen und physischen Gesundheit von Paaren zuträglich ist, ist Faktum – in den meisten Fällen zumindest so lange, bis er nicht eines Tages auf fremdem Terrain stattfindet. Obwohl der bekannte Schauspieler Steve Martin einmal meinte: „Sex ist eines der gesündesten, schönsten und natürlichsten Dinge, die man für Geld erwerben kann.“ Ja, zweifellos: Sex ist bekömmlich, färbt den Teint rosig, hebt die Pobacken, macht munter, lustig und ausgeglichen. Und er hält jung. Das zentrale Problem: Speziell in der Paar-Konstellation gerät das Lebenselixier bei so manchen zum Sonderfall. Einfacher formuliert: Er wird so rar wie die Blaue Mauritius. Mit reiner Langeweile lässt sich das nicht pauschal abtun. Zwar mag es Menschen geben, die es nach einigen gemeinsamen Jahren der Monotonie monogamen Vögelns nach Jungblut dürstet, weil sie den Sex anderswo aufregender und appetitlicher finden. Doch meist sind andere Ursachen für die erotische Null-Linie zuständig. Dabei steht der Faktor Zeit häufig an allererster Stelle. Man hat zu tun, und zwar so viel, dass alle Beteiligten abends völlig kaputt in die rückenfreundliche Matratze sinken, ohne vorher darauf Sport zu machen. Sie wachen morgens so früh auf, dass sich nicht einmal ein Müsli ausgeht, geschweige denn eine Nummer.

"Einführungszeit" für Arbeitnehmer

Da kommt die Idee eines schwedischen Stadtrats auf den ersten Blick gerade Recht. Dieser überlegt laut, eine von Arbeitgebern bezahlte Mittagspause einzuführen – und zwar als „Einführungszeit“ für Arbeitnehmer. Nein, da geht es nicht um den Launch eines neuen Produkts und auch nicht um das Entrieren neuen Personals, sondern um das Schäferstündchen powered by Chef. „Es gibt Studien, die belegen, dass Sex gesund ist“, begründete Herr Per-Erik Muskos, Stadtrat von Övertornea, seine Idee. Ihm gehe es darum, Beziehungen zu verbessern. Nun will er darüber abstimmen lassen, ob Paare eine bezahlte Schnackselpause zur Mittagszeit haben dürfen. Das ist so interessant wie spannend.

Gesetzt den Fall, daraus wird tatsächlich etwas, tun sich allerlei Fragen auf. In Kenntnis des typischen Bürobiotops gäbe das Top-Stoff für die Gerüchteküche. Denn was, wenn die Frau Kollegin oder der Herr Kollege auf das Bums-Pauserl pfeift, und stattdessen im Büro bleibt? Fangen dann alle anderen zu tuscheln und zu spekulieren an, nach dem Motto: Hat die/der noch Sex oder arbeitet die/der schon durch? Was, wenn so ein pausierender Mensch nicht erst nach einer Stunde wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, sondern schon nach einer halben? Wird dann über die sexuelle Genussfähigkeit des – beispielsweise – Lohnverrechners gemauschelt? Und dass der allenfalls ein „Schnell-Schießer“ sei? Was, wenn der Chef seine Assistentin nachmittags ganz beiläufig fragt: „Na, hatten Sie eine nette Mittagspause?“ Gilt das dann womöglich als sexuelle Belästigung?
Nicht zuletzt geht es wohl auch um das Thema Vertrauen. Schlafzimmerüberwachungskameras wird wohl kein Unternehmen installieren, aber was, wenn die gesetzlich erlaubte Pause doch nicht zum Vögeln, sondern für völlig andere Aktivitäten genützt wird? Die Menschen also zwar mittags launig pfeifend aus dem Büro schweben, doch in Wirklichkeit einfach nur heimgehen, um gemütlich eine Runde zu büseln? Oder sie ihre Blumen gießen, ein bisschen bügeln oder für den Abend vorkochen? Fragen über Fragen. Ganz abgesehen davon ist mittags rein biorhythmisch keine gute Zeit für Sex.

gabriele.kuhn@kurier.at