Die Gewissensfrage Nr. 5
Von Gabriele Kuhn
Hach, gestern habe ich mir den dicksten Dildo meines Lebens gegönnt.
über Sextoys
Es ist ja hier schon oft darüber geschrieben worden: Sextoys sind gesellschaftsfähig geworden. Niemand muss sich mehr mit Sonnenbrille und Hut getarnt in die Dämmerung eines zwielichtigen Sexshops begeben, um fündig zu werden.
Denn längst haben sich die Sex-Filialen zu Lusttempeln gemausert, die wie der Innenstadt-Shop von Starbucks oder irgendeine In-Bäckerei in einem angesagten Stadtviertel anmuten. Hip, hell, freundlich und Lichtjahre vom Schmuddel-Pudrigen entfernt, wo man sich vier Mal überlegen musste, ob die Einwickelfolie der roten Strapse nicht doch vielleicht ansteckend ist. Im Gegenteil. Da steht man und nippt gelassen an seinem Früchte-Smoothie und gustiert entspannt. Darüber nachdenkend, ob zum kommenden Wochenende ein paar neue Handschellen passen oder doch nur ein bisschen essbare Unterwäsche reicht. Da lässt man sich auch gerne beraten – was speziell beim Ankauf eines neuen Freudenspenders ratsam ist. Denn Vibratoren gibt es mittlerweile so viele wie Dampfbügeleisenmodelle.
Dementsprechend locker fällt der Smalltalk zum Thema aus. Längst outen sich auch Stars als Spielzeugbesitzerin. Wie vor Kurzem die Schauspielerin Gwyneth Paltrow, die die Leserschaft auf ihrem Lifestyle- und Shopping-Portal Goop.com nicht nur mit den neuesten Detox-Tipps oder Luxus-Facials verwöhnt, sondern auch eine Auswahl an bevorzugten Sextoys vorstellt. Einen Paarvibrator ebenso wie einen 24-Karat-Gold-Dildo (siehe Sexbox) oder aber ein „Pleasure-Set“ mit Fesselzeugs.
Da stellt sich dann auch gleich die Frage, wie opportun es wirklich ist, offen über den intimen Werkzeugkoffer zu plauschen und zu erzählen, was sich im „Ich lass es mir gutgehen“-Goodie Bag alles befindet. Eine Frage des Settings. Denn wie immer ist entscheidend, wer der Empfänger der persönlichen Frohbotschaft ist. Im Kollegenkreis etwa kommt der locker in die Runde geworfene Satz „Hach, gestern habe ich mir den dicksten Dildo meines Lebens gegönnt“ eher nicht so optimal. Zumal am Arbeitsplatz nie gewiss ist, was passiert, wenn man das Zimmer verlässt. Erst tun alle verständnisvoll und bewundernd, schließlich folgt das Gejohle, samt ausufernder Fantasien der Kollegenschaft. Etwa so: „Die Meyer gönnt sich eine Morgengabe, ah deshalb schaut sie bei der Neun-Uhr–Besprechung immer so rosig aus.“
Auch bei der Cocktailparty, die der Boss des eigenen Mannes gibt, sollte man sich mit offenherzigen Äußerungen im Stile von „Wenn mein Mann zu viele Überstunden macht, ziehe ich mich auf ein Stündchen mit dem Saugvibrator zurück“ eher dezent zurückhalten. Kommt in dem Fall nicht gut, könnte für Karriereverwerfungen sorgen. Und selbst bei den herzallerliebsten Freundinnen muss man nicht zwingend sämtliche Details seiner Sextoy-Gewohnheiten ausplauschen. Austausch über Vor- und Nachteile der Glücksspender – ja. Anregungen zu günstigen Kaufmöglichkeiten – ja. Hinweise zu neuen und heißen Produkten – ja. Aber detailreiche Schilderungen zu Themen wie „Wie tief, wie lang, wie intensiv, alleine, zu dritt oder zu zweit“ – eher nein. Das ist maximal eine Sache für das Vieraugengespräch mit der allerallerbesten Freundin, die hält, was sie verspricht: Nämlich, dass alles „unter uns“ bleibt. In dem Fall ist an Offenheit alles erlaubt – bis zum letzten Seufzer.
gabriele.kuhn@kurier.at