Die Gewissensfrage Nr. 3
Von Gabriele Kuhn
Soll ich mich mit meiner eigenen Frau zum Sex verabreden? Oder doch darauf hoffen, dass sich öfter einmal etwas Spontanes ergibt? Ein Mail mit dieser Gewissensfrage des 49-jährigen Lesers K erreichte mich just zwischen zwei wichtigen Terminen – ich war gehetzt. Spontan dachte ich: Verabredung zum Sex? Mit der Ehefrau? Womöglich via Outlook-Terminkalender oder rot eingeringelt im Filofax – 19.30 Schnackseln mit Schatziputzi!? Womöglich via Sekretärin diskret arrangiert? Nein. So weit darf es nicht kommen, das ist der totale Niedergang der Romantik. Etwas in mir sträubte sich, ich wollte schon in die Tasten hauen und Stopp! schreiben. Aber dann, nach eingehender Lektüre der Anfrage, begann ich nachzudenken. Und ich kam zu dem Schluss, dass die Idee vielleicht doch nicht so schlecht wäre. Denn natürlich tun sich zwei Menschen, denen im Job nicht gerade fad ist, die zwei Kinder haben und jede Menge Hobbys, stimmungstechnisch ein bisserl schwer. Einfacher formuliert: Es fehlen die Gelegenheiten, es ist nie richtig, es ist immer irgendwas – alles, nur keine Lust. Kommt er einmal früher heim, hat sie garantiert noch irgendwas im Büro zu tun. Kommt sie einmal früher heim, muss er zum Essen mit Geschäftspartnern. Sind beide dann endlich einmal zu Hause, platzen die Halbwüchsigen in die Szenerie: „Hey, is was zum Essen daheim? Hey, ich such’ meine Jeans, wo sind die, Mum? Hey, Paps, kannst du mich bitte zum Fußball bringen, ich bin spät dran!“ Sind die Kinder dann im Sportverein oder Reitstall verstaut, ist der Wochenendeinkauf zu erledigen. Oder der Rücken tut weh. Und abends, wenn alle endlich schlafen, sind die Protagonisten des Liebesdramas zu ermattet, um noch einen Finger zu rühren, geschweige denn das Becken. Daher K’s Plan, es doch einmal mit fixen Verabredungen zu versuchen. Schließlich liebe er und begehre er seine Frau noch sehr. Na dann, Herr K: auf, auf. Guter Plan. Tun Sie es! Denn wenn der Alltag die Romantik plättet, dann ist es eigentlich nur legitim, sich die Leidenschaft zu inszenieren. Mehr noch: Ich bin in diesem speziellen Fall der Überzeugung, dass es ein Zeichen großer Wertschätzung ist, wenn ein Mann eine Frau, mit der er 22 Jahre verheiratet ist, zu einem Sex-Rendezvous bittet. Aber hallo! Wichtig ist nur, dass das arrangierte Vögeln nicht auch wieder zur Routine gerät – nach dem Motto „Anders geht’s halt nicht“. Sondern das bleibt, was es sein soll: etwas Prickelndes, etwas Besonderes – etwas, das die beiden aus dem Alltag katapultiert. Womit wir bei der Frage des Settings gelandet wären. Es wird nicht reichen, sich im Kalender das Schnacksel-Date einzutragen, wenn sich daheim die Bügelwäsche türmt. Da hilft der beste Schampus, die schönste Wäsch’, der geilste Männerduft nix, wenn man beim Vögeln erst wieder den Lurch an der Schlafzimmerlampe picken sieht und sich denkt: Jössas, das gehört endlich geputzt! Nein, Herr K – tun Sie es, aber tun Sie es ganz! Da muss wirklich das ganz große Kino her: Weg mit den Kids, her mit einem schicken Hotelzimmer in der City. Dazu Kaviar, Austern, Schampus und gute Musik. Aber dann: wohl (be)komm’s!
Haben Sie eine Gewissensfrage? Bitte an: gabriele.kuhn@kurier.at