Das heimliche Hobby
Von Gabriele Kuhn
Fad sind die Österreicherinnen und Österreicher –
seavas die Madln, seavas die Buam – nicht. Dies bestätigen uns – immerhin – die deutschen Nachbarn. Laut Partnerportal friendscout24.de und der Casual-Dating-Plattform „Secret“ mögen wir Sextoys, im speziellen den Vibrator. Wir hutschen gerne auf
Liebesschaukeln und sind auch dem einen oder anderen Fesselspielchen nicht abgeneigt. Man hat Reizwäsche für jeden Stellungskrieg zur Hand. Und sogar bei der Wahl ihres Kondoms geben sich Mr. und Mrs.
Austria frech und abenteuerlustig: Glatt ist fad, Noppen bringen Abwechslung ins Rein-Raus. Ollala!Allerdings gilt auch hier wieder der Grundsatz: Ein bissl mehr ginge trotzdem noch. Vor allem die Männer monierten: „Mein Sexleben ist leider nicht so wild wie meine Fantasien. Ich würde sie gerne ausleben.“ Die Herren träumen vom erotischen Ballermann: Vögeln, bis die Rettung kommt. Frauen sind da, naturgemäß, bescheidener. Alles eh ganz okay, sagen sie. Kann aber auch sein, dass sie lügen. Besonders interessant finde ich in diesem Kontext ein spezielles Detail der Studie. Demnach würden die Österreicher sehr, sehr gerne über Sex reden. Die erotischen Plauderwasteln präferieren allerdings dafür nicht ihren Lebenspartner oder ihre Lebenspartnerin, sondern, durchaus nachvollziehbar, Fremde. Immerhin 53 Prozent aller befragten Frauen und 69 Prozent der Männer gestanden: „Erotische Konversation mit einem Unbekannten finde ich anregend.“ So weit, so logisch. Es ist im Alltag eben nicht leicht, von vertrauensvoll formulierten Sätzen wie „Bist du deppert, ich hab heute aber Blähungen“ ins verbaleerotische Paradies zu gleiten. Die weit attraktivere Alternative ist daher der heimliche Ausflug in die Anonymität des Internets. Ich kenne in meinem Freundeskreis mehrere Männer und Frauen, die – jeweils – wunderbar mit ihren Partnern harmonieren. Und dennoch insgeheim ein platonisches Erotik-Tritsch-Tratsch-Verhältnis mit einer/m Unbekannter/m pflegen. Das heimliche Hobby also. Die L, zum Beispiel, geilt sich unter dem Pseudonym Blasmaus71 bevorzugt rund um den Eisprung an einem Herrn mit dem feuchtigkeitsspendenden Decknamen D’Artagnan6 auf. Beschnuppert hat man einander bei einer Dating-Plattform. Seit einem halben Jahr wird via
Gmail virtuell gevögelt – dagegen liest sich „Fifty Shades of Grey“ wie ein Hausfrauenreport. Er weiß, dass sie in Wirklichkeit Lea heißt. Sie weiß, dass er in Wirklichkeit Thomas heißt. Aber was ist schon wirklich? Zumal das völlig egal ist. Was gar nicht egal ist, ist hingegen der Effekt auf Leas Sexualleben. Herr D’Artagnan schafft es, Gedanken in ihr Lustzentrum zu implantieren, die wie eine Depotpackung Gleitgel wirken. Schlechtes Gewissen hat Lea keines – im Gegenteil, sie rechnet kühl: „Seit dieser Thomas oder wasweißich ... naja, seitdem wir schreiben, könnte ich dauernd. Da hat der K. auch was davon, oder?“ Stimmt, eine gewisse Umwegrentabilität ist hier nicht von der Hand zu weisen. Außerdem, wer weiß, was Gatte K gerade treibt? Der rennt seit geraumer Zeit auch mit diesem Glitzern hinter der Brille herum. Das Leben ist manchmal doch noch ein Spiel. Gut so.
gabriele.kuhn(at)kurier.at