Zuerst das Kind (und so)

Keine Schulpolitik an dieser Stelle, aber zieh das ein Mal durch, ohne dich am eigenen Ärger zu verschlucken. Teil 79 jetzt also der Potemkinschen Schulreform made in Austria, nur dass es auf den Fassaden seit Neuestem heißt: "Zuerst ist das Kind." Es ist das neueste Schlagwort der Blockierer und ihre Rechtfertigung dafür, auf Strukturreformen weiter zu verzichten.

Wie da z. B. wären: Die gemeinsame Schule, ohne die die NMS in den städtischen Ballungsräumen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag nicht funktionieren wird; eine Schulumbauaktion, um die alten Schulkasernen ganztagsschultauglich zu machen; mehr Geld und Personal für Kindergärten und Volksschulen; Intensiv-Deutschkurse vor Schuleintritt für alle, die es nötig haben, und später zusätzlich zum Unterricht und nicht statt diesem; flächendeckender Einsatz von Sonderpädagoginnen für die Zehntausenden Kinder mit Lern- und Verhaltensstörungen, die aus finanziellen Gründen nicht als solche ausgewiesen sind; Großeinsatz von Muttersprachenlehrerinnen, Psychologinnen und Sozialarbeiterinnen (Männer mitgemeint); differenzierte Geld- und Ressourcenzuteilung für Schulen je nach Lage & Klientel usw. Aber all das wird von Eh-schon-wissen blockiert.

Und meiner Ministerin werden derweil die Hände gebunden, nicht nur finanziell. Dafür machen sich andere wichtig und fordern jetzt, wo "zuerst das Kind" ist, a) unbezahlte Mehrarbeit von unsereiner sowie b) eigene Ausländerkinder-Klassen. Als würde man Kindern Deutsch am intensivsten dadurch beibringen, dass man sie von den Deutsch sprechenden möglichst intensiv fern hält. Ach ja, und "politische Bildung" soll es geben. Nicht als eigenes Fach (zu teuer), dafür verpflichtend. Dass "politische Bildung" als Unterrichtsprinzip seit 50 Jahren in allen Lehrplänen steht und ergo verpflichtend ist, sagt keiner dazu. Dafür verrate ich jetzt, was aus der verpflichtenden "täglichen Turnstunde" geworden ist. NMS in Wien, Turnen für die beiden 3. Klassen: zwei Mal netto ca. 35 Minuten. Pro Woche.

Niki Glattauers Bestseller "Leider hat Lukas..." ist jetzt auch als Taschenbuch erschienen. Goldmann, München, 12,40 €