Der Kunde ist in der Schule noch nicht König
Von Josef Votzi
Christoph Leitl ist keiner, der es seinem Gegenüber gern leicht macht. In der ÖVP-Führung gilt der Chef des VP-Wirtschaftsbundes zunehmend als Außenseiter, weil er immer wieder aus der Parteilinie ausschert. Auch innerhalb der Sozialpartnerschaft eckt Leitl mit seinem missionarischen Eifer gelegentlich kräftig an.
Es gibt Schlimmeres, als einem Politiker nachzusagen: Für jene Ziele, an die er glaubt, kämpft er mit Widerspruchsgeist und Feuereifer. Mit Leidenschaft macht Christoph Leitl dieser Tage für ein radikales Umdenken in der Schulpolitik mobil. Mitten in den Ferien stellte der Wirtschaftskammerpräsident gestern im KURIER-Interview den Bildungspolitikern quer durch alle Lager ein vernichtendes Zeugnis aus: Die Politik kommt "bei der gesamten Bildungsreform kaum vom Fleck".
Der schulorganisatorische Streit ist für Leitl – wie für die meisten Praktiker aus Wirtschaft und Industrie – längst als erledigt abzuhaken: "Es braucht eine differenzierte gemeinsame Schule bis 14" – um möglichst viele Begabungen möglichst lange zu fördern und bis zuletzt zu heben. Sein vernichtender Befund: "Bei der Frage, wie wir mit den Begabungen unserer jungen Menschen umgehen, tut sich gar nichts."
Gestern trafen sich einmal mehr Lehrergewerkschafter und Unterrichtsbeamte, um bessere Anfangsgehälter und neue Dienstzeiten auszuhandeln. Die Botschaft des Tages: bitte warten. Hochmotivierte Lehrer sind der Schlüssel zu besseren Schulen. Die Schulpolitik darf dabei aber nicht die Interessen der eigentlichen Kundschaft aus dem Auge verlieren. Denn "es gibt keinen jungen Menschen, der kein Talent hat".
Danke Herr Leitl, das kann man nicht oft genug in Erinnerung rufen.