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Gute-Nacht-Kuss 4.0

Weil ich öfter dafür kritisiert werde, dass ich öffentlich das Handy verteidige: Irrtum!

Niki Glattauer
über Smartphones

Weil ich jetzt lehrerinnenseits öfter dafür kritisiert werde, dass ich öffentlich das Handy verteidige: Irrtum! Ich bin KEIN Freund des Smartphones, quasi naturgemäß in meinem Alter ;-), aber auch aus guten Gründen. Der nächtliche Smarttrottelmissbrauch sorgt nämlich u. a. dafür, dass unsere Schüler ihre Klassen mit Schlafsälen verwechseln. Da kommen manche Kinder noch schlafend an, mitunter schnarchend, andere summen mit geschlossenen Augen traurige Lieder wie von der Varroa-Milbe geplagte Bienen, manche haben ihre Gesichter dümmlich in Falten gelegt, weil sie träumen. Und alle haben sie Stöpsel in den Ohren. Die dazu gehörenden Displays stecken in ihren Jacken- oder Hosentaschen oder auch in eigenen, an Gürteln baumelnden Handytaschen mit Rihanna drauf oder der türkischen Nationalflagge.

- Merve, tu bitte die Stöpsel aus deinen Ohren, oder ich nehm dir dein Handy weg und steig noch irrtümlich drauf, nachdem es mir leider runtergefallen ist.

- Meine Mutter sagt, wenn mein Handy schon wieder kaputt wird, tötet sie mich.

- Das sagt sie nur so, Merve.

Aber natürlich sagen es die meisten Eltern eben nicht nur so, denn für die meisten Eltern sind Handys inzwischen weit mehr als nur Handys. Sie sind Babysitter und digitale Leine, Anwesenheitskontrollor und Abwesenheitsrechtfertigung, virtuelle Mohnnuckel und ausgesourcte Empathie, Seelenvibrator und Gute-Nacht-Kuss 4.0. Das soll mir gefallen, der ich Kindern privat und beruflicherseits beim Großwerden behilflich bin? Tut es NICHT. Aber wie sagt die große Christine Nöstlinger immer: Du kannst nicht alles verbieten, was dir nicht gefällt. Und ganz ehrlich, schaut unsereiner nicht auch seit Jahrzehnten ununterbrochen in pixelnde Quader aller Art? Eben.