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Rapid im Abstiegskampf? Alles Gute!

Die Erfahrung im Keller im Finish kann zum größten Pluspunkt werden.

Paul Scharner
über Tipps für den Abstiegskampf

Das Rennen um den Titel ist in der Bundesliga entschieden, dafür verspricht heuer der Abstiegskampf besondere Spannung. Mit einem unerwarteten Teilnehmer: Rapid.

Nach sechs Saisonen bei Wigan – in der Premier League wurden wir traditionell als Abstiegskandidat Nr. 1 gehandelt – weiß ich, dass die Erfahrung im Keller im Finish zum größten Pluspunkt werden kann. Diese Erfahrung fehlt bei Rapid – dem Verein an sich, den meisten Spielern, den erfolgsverwöhnten Fans. Dazu kommt, dass bei so einem großen und emotionalen Klub besonders viele außenstehende Menschen gescheit sein wollen und jetzt alles besser wissen.

Der Druck, der in Hütteldorf üblicherweise auszuhalten ist, fühlt sich ganz anders an: Es ist ein positiver Druck, um den Meistertitel oder um die Europacup-Plätze zu spielen. Mit dem Abstiegskampf sind hingegen nur negative Emotionen verbunden: Enttäuschungen, Rauswürfe, Fan-Proteste, harte Einsparungen.

Drei Tipps

Welches Überlebenspaket würde ich in dieser heiklen Situation schnüren?

1. Führungsspieler Jene Kicker, die Führungsspieler sind oder gerne solche wären, sind in die Pflicht zu nehmen. Trainer Djuricin kann das ganz offen ansprechen: "Jetzt habt ihr ein paar Wochen Zeit, zu beweisen, Helden zu sein. Wenn nicht, gehen wir unter." Oftmals werden in den letzten Runden ungeahnte Kräfte frei.

2. Ergebnisfußball Rapid hat den Anspruch, schön und offensiv zu spielen. Das ist jetzt aber nicht mehr wichtig, es zählen auch grausige Partien, die Punkte bringen. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie letztes Jahr Hoffenheim in Deutschland. Aber in der Regel sind während einer Krise einfacher Fußball und Kampfgeist am ehesten erfolgreich umzusetzen.

3. Fokussierung Persönliche Befindlichkeiten dürfen keinen Raum bekommen. Spiele ich zu wenig? Steht ein Transfer im Raum? Werde ich zu hart kritisiert? Dafür ist jetzt keine Zeit. Ein Abstieg würde die Lage von jedem massiver verschlechtern, als sich das Unzufriedene jetzt vorstellen können.

Das heißt aber nicht, dass nur Dienst nach Vorschrift mit trauriger Miene gefragt ist. Als wir mit Wigan in der letzten Runde Sheffield United 2007 unbedingt besiegen mussten, ließ der Trainer eine Woche nur Abschlüsse trainieren. Ich habe lediglich mit meinem schwächeren linken Fuß geübt. Die Kollegen fragten: "Paul, are you crazy?" Meine Antwort war: Besondere Situationen brauchen besondere Reaktionen. Ich habe dann das 1:0 geschossen – mit links. Wir haben Sheffield mit viel Glück 2:1 geschlagen und waren gerettet. United war gebrochen und ist über viele Jahre abgestürzt. Abgestiegen bin ich erst 2013. Nachdem wir den FA-Cup gewonnen hatten. Aber an diese mögliche Parallele möchte ich Rapid lieber nicht erinnern.

paul.scharner@kurier.at