Meinung/Kolumnen/Meine Stadt

U6 färbt ab

Noch vor der Station „Neue Donau“ beginnt das Ritual: Wer zuerst lächelt, hat verloren.

Mag. Uwe Mauch
über die U6

Suuug fead ab! Wenn der Zug in Floridsdorf abfährt, halten sich (fast) alle im Waggon an ihrem Krawallblattl fest, das ihnen ihre tägliche Dosis Superlativ, Gift und Galle bietet. Das Gift fährt sofort ein: Schon zürnt einer, dass der Zug zwei Minuten Verspätung hat. Skandal! Chaos!

Noch vor der Station „Neue Donau“ beginnt das Ritual: Wer zuerst lächelt, hat verloren. Ich gebe zu: Ich bin Teil des Rituals, und mir fehlt auch die Courage, gute Miene zu machen.

Suuug fead ab! Ab der Station „Handelskai“ noch mehr Menschen im Transportcontainer. Die Stimmung wird nicht besser. Mir fällt beim kollektiven Ins-Leere-Schauen ein Bekannter aus Nigeria ein. Er hat mich einmal gefragt, warum die Menschen in der Wiener U-Bahn so traurig sind. Wenn er mit der U6 fährt, habe er den Eindruck, dass er sich nicht in einer der reichsten Städte der Welt fortbewegt, sondern in einem der Armenagglomerate Afrikas, in seinem Heimatland.

Ich habe ihm sodann von einem U-Bahn-Expeditleiter erzählt. Der mir einmal offenbarte, dass „die Kollegen“ jenen U-Bahn-Fahrer nicht mögen, der vor Jahren damit begonnen hat, den Fahrgästen einen guten Tag zu wünschen. Auf die Frage, warum sie ihn nicht mögen, antwortete er salopp: „Wäu er a Trottel is.“ Goldenes Wienerherz. U6 färbt ab, Suuug fead ab!