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Ablenkung für die Sinne

Es ist fast schon ungewöhnlich, einmal nicht verstöpselte Ohren zu sehen.

Anna-Maria Bauer
über technische Ablenkungsgeräte

Nicht in der Ruhe liegt die Kraft, sondern in der Stille. Das denken sich offenbar immer mehr Veranstalter. Denn die Zahl der Events, die mit dem Wort "Silent" beginnen, steigt rasant. "Silent Discos" finden gefühlt an jedem zweiten Wochenende statt. Der Wiener Open-Air-Kinosommer wurde heuer um das "Silent Cinema" reicher. Und vergangenen Sonntag fand nun auch das erste "Silent Yoga" statt.

Still ist es natürlich nur für Passanten. Die Teilnehmer werden über Kopfhörern beschallt. Und Kopfhörer sind ein Accessoire, das auch abseits der Silent Events Hochsaison hat: In der U-Bahn, im Kaffeehaus, ja sogar am Rad. Es ist fast schon ungewöhnlich, einmal nicht verstöpselte Ohren zu sehen.

Nach den Augen (Stichwort Smartphone) ist das zweite Sinnesorgan auf dem besten Weg, durch ein technisches Gerät von der Außenwelt abgeschottet zu werden. Bleibt abzuwarten, ob einmal ähnliche Ablenkungsgeräte für die anderen Sinnesorgane auf den Markt kommen. Vielleicht Hightech-Nasenverhüterlis, die Nasen stets mit angenehmen Gerüchen versorgen. Oder Schuhe mit speziellen Sohlen, durch die es sich je nach Einstellung so anfühlt, als würde man auf einem Waldboden oder auf Sand gehen.

Wieso die Realität aushalten, wenn man sich eine schöne neue Welt erschaffen kann?