Alle haben auf Alexijewitsch getippt
Von Peter Pisa
Was ja eigentlich eine Überraschung ist.
über den Literatur-Nobelpreis.
Alle haben auf die 67-jährige Swetlana Alexijewitsch getippt, die Weißrussin, deren Bücher unter Dikator Lukaschenko verboten sind und die nach Jahren im Exil trotzdem wieder in Minsk lebt. Sie lag bei allen Buchmachern in Europa und Amerika voran – und gewonnen hat den 108. Literatur-Nobelpreis am Donnerstag tatsächlich Swetlana Alexijewitsch.
Was ja eigentlich eine Überraschung ist.
Man musste bei der Schwedischen Akademie durchaus auf den Südkoreaner Ko Un gefasst sein.
Gegen ihre Wahl lässt sich nichts sagen. Außer dass Philip Roth leider wieder leer ausgegangen ist.
Dokumentarische Romane schreibt sie. Sie gibt den letzten Zeugen des Zweiten Weltkriegs eine Stimme – 3,4 Millionen Menschen bzw. ein Drittel der Bevölkerung von Weißrussland sind umgekommen – und den Toten in Afghanistan und den Opfern der Katastrophe von Tschernobyl … Sie passt auf, dass die auf der Strecke Gebliebenen nicht völlig vergessen werden.
Swetlana Alexijewitsch kann zuhören und die Erinnerungen in dramatische Prosa verwandeln.. Das Erzählte hat immer mit Krieg oder Gulag zu tun. Wie Vorjahressieger Patrick Modiano schreibt sie zwar viele Texte, aber eigentlich immer nur an einem Buch über Tod und Sowjetzeit.
In ihrem bekannten Werk „Secondhand-Zeit“ steht ein 87-Jähriger auf den Trümmern des Sozialismus und zeigt seine Lenin-Figuren her. Aus ihren Geschichten wird Geschichte.