Meinung/Kolumnen/Knecht

Wie man gegen Vogelgezwitscher klagt

Permanent juchzen und brüllen und weinen sie laut

Doris Knecht
über Klagen gegen Gezwitscher

Das Geräusch, das kochendes Wasser macht. (Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie laut das ist? Das ist verdammt laut, macht Telefonieren praktisch unmöglich.) Oder dass die Sonne in einem derartigen Winkel zum Fenster hereinscheint, dass man am Bildschirm überhaupt nichts mehr erkennen kann. (Urunangenehm, wenn man schreiben oder facebooken oder fernsehen will und keine anständigen Rollos hat.) Oder dass man von hysterischem Vogelgezwitscher aus seinem verdienten Schlaf geweckt wird.Und natürlich die Geräusche, die Kinder beim Aufwachsen machen: Säuglinge müssen ja unbedingt schreien, kleine Kinder partout immer spielen und herumlaufen und rangeln und mit Bällen knallen. Permanent juchzen und brüllen und weinen sie laut und haben sich überhaupt nicht unter Kontrolle.

Und das geschieht auch. Immer wieder klagen Leute gegen Kinderlärm, sie versuchen Spielplätze aus ihrer Nachbarschaft wegzuklagen und Ballkäfige und Kindergärten. Sie beschäftigen Anwälte und Gerichte über Jahre, sie verursachen massive Kosten, sie versuchen Richterinnen und Richter davon zu überzeugen, dass ihre Ruhe, dass eine von kindlichem Radau unkontaminierte Stille um sie herum wichtiger ist als die mit der normalen Entwicklung von Kindern einhergehenden Geräusche. In Deutschland sind seit vergangenem Jahr Klagen gegen Kinderlärm praktisch unmöglich geworden: Eine kleine Änderung in der Baugesetzordnung verhindert künftig, dass Anrainer gegen die Geräusche vorgehen können, die Kinder beim Spielen machen. In Österreich gibt es Vorstöße in einzelnen Ländern: In Oberösterreich etwa ist Kinder­lärm nun nicht mehr „umweltschädlich“ und es kann nicht mehr so einfach geklagt werden. Das sollte in ganz Österreich so sein; damit die Idee, spielende Kinder kusch zu klagen irgendwann so absurd scheint wie der Gedanke, gegen Vogelgezwitscher vorzugehen.