Meinung/Kolumnen/Knecht

Wie die Popmusik nach Wien kam

Oral History, und genau das macht Wien Pop so großartig

Doris Knecht
über fünf Jahrzente Musikgeschichte

Natürlich liest jeder, Ihre Autorin nicht ausgenommen, erst einmal die Stelle, in der man in „Wien Pop“ selber vorkommt: entweder als einer der 130 Protagonisten und Protagonistinnen, die für das kürzlich präsentierte 400-Seiten-Werk interviewt wurden. Oder als jemand, der einen Teil jener „fünf Jahrzehnte Musikgeschichte“ miterlebte, die das Buch umfasst: als MusikerIn, als Veranstalter oder als Wirtin, als Labelchefin, DJ oder einfach im Publikum. Oral History, und genau das macht „Wien Pop“ so großartig und spannend zu lesen: Die vier Autoren, allen voran Initiator Gerhard Stöger, haben diese 130 Interviews – von Horst Chmelar bis Electric Indigo, von André Heller und Marianne Mendt bis Kruder & Dorfmeister – akribisch zu einer lebendigen, überraschenden und lustigen Erzählung montiert. Und auch wenn sich nicht immer alle ident erinnern, ergeben all diese Puzzleteile am Ende die Geschichte, wie aus dem jugendfeindlichen, graubraunen Nachkriegswien ab den Fünfzigerjahren eine Stadt mit einem spannenden Soundtrack wurde. Man liest sich an diesen Erzählungen fest: Ach, ja, so war das damals, genau so. Und das war ja damals auch noch, und den gab’s ja, und die war da ja auch dabei, und genau, bei dem Konzert war ich auch und in dem Lokal sowieso immer.

Natürlich gibt es bei Kraftakten wie diesem in fünf Jahren harter Arbeit entstandenen Werk Verluste, man vermisst das eine oder andere. Die erfolgreichste österreichische Metal-Band Pungent Stench zum Beispiel, die in ihrem Metier ähnlich erfolgreich war wie Kruder & Dorfmeister. Aber es spricht ja nichts dagegen, solche Auslassungen bei einer Neuauflage zu berücksichtigen.

Er habe, sagt Falter-Redakteur Gerhard Stöger, „Wien Pop“ gemacht, weil er selbst so ein Buch immer schon lesen wollte. Und das entspricht genau der Haltung, die sich durch alle Gespräche zieht: Mit 130 Menschen, die sich die Musik, die sie hören wollten, eben selber machten. Klingt super, dieses Wien.Gröbchen, Mießgang, Obkircher, Stöger: Wien Pop.( Falter Verlag).