Waldviertel ist nicht Burgenland
Von Doris Knecht
Einmal geht es noch über die Paradeisergrenze. Kalt ist’s draußen, im Ofen gluckert das Feuer, gestern um 16.49 Uhr wurde es offiziell Herbst. Aber vorm Haus, unter ihrem Plastikfolien-Verschlag, sind die Paradeiser-Pflanzen immer noch grün. Wir sind hier im Waldviertel, das diese Woche durch „Braunschlag“ ganz neu ins Bewusstsein rückte: Hier blühen im Frühjahr die Blumen drei Wochen später als überall anders, hier erntet man jetzt erst die Tomaten. Beziehungsweise.
Kein Waldviertler Starkregen hat die Blätter ruiniert, keine Tomatenfäule hat sie in brüchiges braunes Pergament verwandelt, keine Schnecken haben sich über sie hergemacht. Sie treiben noch immer wie verrückt aus, ranken meterhoch bis unters Dach, dicht und grün und makellos. Wunderbar.
Bis auf einen kleinen, für Tomatenpflanzen nicht unerheblichen Makel: Sie tragen keine Früchte. Vorletzte Woche habe ich von meinen acht Pflanzen sieben Paradeiser geerntet, letzte Woche drei, diese Woche vier, und wenn alles gut geht, werde ich nächste Woche noch vier Früchte pflücken. Der Gatte lacht nur noch.
Ich habe alles getan, was zu tun war. Ich habe sie vor Regen geschützt. Ich habe biogedüngt, ich habe gegeizt, ich habe gegossen, ganz, wie ich es im Internet gelernt habe. Natürlich las ich nun, mein Häuferl Paradeiser von mir, dass der Tomatenkönig Erich Stekovits weder düngt noch geizt noch gießt. Aber Stekovits paradeisert im Burgenland. Und das Waldviertel ist nicht das Burgenland.
Das Waldviertel ist auch nicht die Steiermark: Es gibt bei uns heuer auch keine Äpfel. Nur einer der Bäume im Garten hat getragen, den Rest der Ernte hat der späte Maifrost dahingerafft. Für einen Apfel-Gugelhupf reicht’s gerade. Herbst ist’s, ich gehe jetzt backen.