Meinung/Kolumnen/Knecht

So viel zur Verbotsgesellschaft

Böse!

Doris Knecht
über die Verbotsgesellschaft

Es ist richtig: man liest schon sehr viel über Verbote derzeit, sehr sehr viel. Übers Verbieten und übers Verbieten-Wollen, und ob man nicht das und das endlich verbieten sollte, unter Strafe stellen oder zumindest radikal einschränken.

Die Verbote oder Verbots-Optionen nur der heutigen Nachrichten: Verbot von Selfie-Stangen in Museen, die französische Verbotserwägung von Brustimplantaten, ein Fremdsprachen-Verbot an einer Mödlinger Schule, Kopftuchverbot, bzw. doch kein Kopftuchverbot. Und natürlich die ewigliche österreichische Debatte über das Rauchen, bei der stets argumentiert wird, die Freiheit des Menschen werde eingeschränkt, und zwar durch ein Verbot ebenso wie durch kein Verbot – das hängt ganz von der jeweils argumentierenden Seite ab. Allerdings wird nur von einer Seite kritisiert, dass durch ein Rauchverbot die Fähigkeit des Menschen zur Selbstverantwortlichkeit beschnitten werde, überhaupt: Verbots-Gesellschaft! Böse! Der Mensch verlerne vor lauter Verboten ja vollständig das selbstständige Denken und verliere ganz den Kontakt zu seiner naturgegebenen Vernunft. Das beschwört das Ideal einer quasi antiautoritären Gesellschaft aus Menschen, die verantwortlich, vernünftig, menschlich, um- und rücksichtsvoll mit sich und miteinander umgehen und unter denen ein stabiler Konsens darüber herrscht, was richtig und gut ist, und was nicht. Putzig.

Dennoch beschäftigt die Frage, wie man so eine Gesellschaft konstituiert die Philosophen seit jeher; eben so wie der Verdacht, dass wir alle – oder zu viele von uns – zu kaputt oder zu dumm sind, um eine Gesellschaft auch nur in die Nähe dieses Ideals rücken zu können. Allein die Tatsache, dass man ernsthaft erwägen muss, Menschen gesetzlich zu verbieten, ihre gesunden Körper aufzuschneiden und mit krebserregenden, schleimgefüllten Plastiksäcken auszupolstern, ist ja an und für sich schon ein ziemlich starkes Plädoyer für eine Verbots-Gesellschaft, die die Menschen insbesondere vor sich selber schützt. Sich darauf verlassen können, dass die Menschen von sich aus vernünftig und menschlich agieren: schön wär’s, sehr schön.

Doris Knechts dritter Roman "Wald" ist letzte Woche bei Rowohlt Berlin erschienen.