Relevanzschub für Zeitfresser
Von Doris Knecht
Kann man die Zeitfresser doch einmal wirklich brauchen.
über den Nutzen von sozialen Medien
In der derzeitigen Situation erleben die sozialen Medien einen massiven Relevanzschub. Von oberflächlichen, deshalb noch immer von vielen abgelehnten Selbstdarstellungs- und Zeitfresser-Medien wurden sie zu relevanten Kommunikationswerkzeugen. Twitter hat ja schon in diversen Kriegssituationen die Funktion einer blitzschnellen (wenn auch unsicheren und wenig objektiven) Nachrichtenagentur übernommen, doch jetzt ist auch Facebook wichtig geworden.
Einerseits finden dort politische Debatten zwischen ideologischen Lagern statt, die im normalen Leben eher unter sich bleiben und kaum aufeinandertreffen, und wenn, dann entweder an der Supermarkt-Kassa, wo man sich zwar begegnet, aber im Normalfall (und zum Glück) keine politischen Auseinandersetzungen beginnt. Oder höchstens beim Akademikerball oder anderen Demos, wo die Auseinandersetzung meist derart zügig eskaliert, dass die Polizei mit schwerem Gerät dazwischen gehen muss.
Andererseits wäre die unglaubliche HelferInnen- und Spenden-Mobilisierung, wie wir sie in letzten Wochen erlebten, ohne soziale Medien in dieser Form undenkbar. Jede Hilfsorganisation, jede Notschlafstelle, jede Flüchtlingsunterkunft verfügt jetzt über eine Facebook-Seite, die es ermöglicht, den aktuellen Spenden- oder Helferbedarf unmittelbar zu kommunizieren.
Das ermöglicht große Flexibilität und erlaubt eine übersichtliche Logistik, weil es verhindert, dass zu wenig vom dringend Benötigten da ist oder viel zu viel vom Unbenötigten im Weg herumsteht. Das ist vor allem wichtig in einer Situation, in der sich nie genau sagen lässt, wie viele Menschen morgen oder in zwei Stunden versorgt und betreut werden müssen. Und wo es sein kann, dass um elf Uhr genug Nahrungsmittel und Helfer da sind, und um zwölf, wenn plötzlich 800 Menschen ankommen, viel Essen und dringend Helferinnen gebraucht werden. Da sind Facebook und Twitter endlich sinnvoll: Kann man die Zeitfresser doch einmal wirklich brauchen.