Mut zur Teilnahmslosigkeit
Von Doris Knecht
Man kommt dem Irrsinn nicht aus, auch wenn man wollte.
über die Fußball-WM
Heuer musste sich die Autorin das erste Mal seit Jahren nicht um Paninis kümmern, Gottlob. Das fröhliche Sommer-Leben, das an einem vorbeizog, während man selbst in stickigen Tauschbörsen hockte und wartete. Die Stunden des Trostspendens, wenn die Ausbeute minder war. Die endlosen Zahlenreihen, die man resigniert auf Facebook teilte, in der Hoffnung, dass andere resignierte Mütter, die ebenfalls endlose Zahlenreihen posteten, irgendwo in ihrem Reservoir ein paar davon übrig haben. Heuer: nichts mehr, niente.
Das erlaubt einem nun maximale Ahnungslosigkeit in Bezug auf die Spiele, deren Beginn einen deswegen zum ersten Mal seit Jahren kalt überrascht. Natürlich weiß man auch nicht, wer wann in welcher Gruppe gegen wen spielt, konkreter: welche Mannschaften überhaupt mitspielen dürfen. Österreich nicht, so viel hat man immerhin mitbekommen.
Eh ist es, wenn man hin und wieder fernsieht, Radio hört und nicht völlig blind durch die Stadt geht, kaum möglich, etwas Derartiges wie den Beginn einer Fußball-Weltmeisterschaft zu verpassen. Das auszublenden: Da muss man sich schon sehr Mühe geben. Aber bitte, mit einem starken Willen schafft man es, dass es einigermaßen an einem abperlt. Jedenfalls jetzt noch. Denn das Recht auf Teilnahmslosigkeit wird einem in den nächsten Wochen ja sowieso unablässig beschnitten werden.
Überall wird wieder auf großen und kleinen Screens Fußball gespielt werden, mehr denn je zuvor: bei Grillfesten in Gärten und auf Terrassen, auf Smartphones und Tablets am Badestrand und im Schanigarten, auf riesigen Leinwänden auf öffentlichen Plätzen: überall wird public oder halb öffentlich geviewt werden, das Fernsehprogramm kontaminiert von rennenden Männern inmitten brüllender Männer. Man kommt dem Irrsinn nicht aus, auch wenn man wollte. Also findet man sich in milder Anteilnahme und sanften Sinnes damit ab. Möget ihr Freude an der WM haben, ihr Narren.