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Plötzlich Bürgermeister

Haben Sie von Jon Gnarr gehört? Noch nicht? Dann googeln Sie den einmal.

Doris Knecht
über ungewöhnliche Politik

Haben Sie von Jon Gnarr gehört? Dem scheidenden Bürgermeister der isländischen Hauptstadt Reykjavik? Noch nicht? Dann googeln Sie den einmal. Oder lesen Sie einfach die lustige Geschichte im Schweizer Tagesanzeiger ("Mehr Punk, weniger Hölle"), der Gnarr in Island besucht hat.

Sie zeigt auf, wie Politik auch funktionieren kann. Gut, vielleicht nur in der kleinen Hauptstadt eines nicht sehr dicht bevölkerten Landes wie Island. Aber doch in einem Land, das von der Wirtschaftskrise gebeutelt und von Banken beinahe ruiniert worden war und in dessen Hauptstadt ein paar Männer und Frauen eigentlich nur zum Spaß zur Wahl angetreten waren.

Zu ihrer eigenen Überraschung wurde die Beste Partei 2010 mit mehr als 34 Prozent stärkste Partei. Was vor allem ihrem Spitzenkandidaten Jon Gnarr und seinem Spaß-Programm zu verdanken war, das den Reykjavikern unter anderem einen Eisbären im Zoo, Gratis-Bus-Tickets, offene Korruption und den Bruch aller Wahlversprechen versprach. Und garantiert viel mehr Spaß. So war der Komiker Jon Gnarr plötzlich Bürgermeister und musste regieren. Und viele ganz und gar unkomische Probleme lösen.

Die Geschichte im Tagesanzeiger beschreibt sehr unterhaltsam und lehrreich, wie Gnarr und die Stadträte seiner Besten Partei das taten: wie aus Punks, Band-Musikern und Spaßvögeln Politiker wurden, die sich nicht an die übliche politische Kultur anpassten, sondern diese an ihre Grundsätze und Skills: Lebenserfahrung, Aufrichtigkeit, Humor. ("Wir kamen ja nicht nackt in dieses Amt. Wir hatten Erfahrungen. Ich war Barkeeper. Du musst nach der Party die Aschenbecher leeren. Ich weiß, wie Dreck aussieht.") Das funktionierte: Gnarr und seine Haberer reformierten die staatliche Energiewirtschaft und sanierten die Finanzen. Es gelang auch deshalb so viel, weil die Beste Partei nicht auf Wählerstimmen schielte: Gnarr wollte nach vier Jahren gar nicht wiedergewählt werden, er trat nicht mehr an.

Die Angriffe der Opposition parierten die Besten während ihrer Regierungszeit übrigens mit Wu Wei: dem Prinzip, Attacken mit einem Lächeln ins Leere laufen zu lassen. Kommt Ihnen bekannt vor? Richtig: Conchita Wurst macht das auch. Sehr erfolgreiche Taktik, offensichtlich.