Keinerlei pädagogisches Talent, leider
Von Doris Knecht
Leider privatisiert unser Schulsystem das Lernen immer mehr.
über elterliche Nachhilfe
Endlich Schulschluss, nur noch zwei Mal schlafen. Als allererste Handlung, noch vor Entgegennahme der Zeugnisse, wird der Montag-bis-Freitag-Wecker am Smartphone ausgeschaltet.
Endlich ein paar Wochen nicht um 6.30 Uhr aus den Federn kriechen und Probleme lösen müssen; die Lieblingsjeans des Nachwuchses im Korb mit der ungebügelten Wäsche suchen (der an nicht so guten Tagen das halbe Zimmer voll quillt), ausreichend Mittagessen-Geld aus verschiedenen Münz-Reservoiren zusammenklauben, über nicht aufgegessene Jausen-Brote und Äpfel debattieren, das Federpennal finden, dessen tagelanges Fehlen im Mitteilungsheft beanstandet wurde.
Und ein paar Wochen lang nachmittags nicht den Kindern hinterher sein müssen: Sind alle Hausaufgaben gemacht, ist für die Schularbeit genug gelernt worden? Noch viel schlimmer: sich dazusetzen und beim Lernen helfen müssen. Es soll nämlich Eltern geben, die über keinerlei pädagogisches Talent verfügen, denen nicht nur die Kompetenz, sondern auch jegliche Geduld fehlt, ihren Kindern in Mathematik, Englisch oder Physik zu helfen; und die Autorin reiht sich unter diesen Eltern ganz zuvorderst ein.
Leider privatisiert unser Schulsystem das Lernen immer mehr und erwartet von den Eltern, dass sie sich an der Bildung ihrer Kinder aktiv beteiligen: Laut einer von der Arbeiterkammer in Auftrag gegebene IFES-Erhebung lernen drei Viertel der Eltern regelmäßig mit ihren Kindern. Der Großteil der befragten Eltern gab an, sich davon überfordert zu fühlen. Weshalb Österreichs Eltern 118 Millionen Euro für Nachhilfe ausgeben: um die 600 Euro im Jahr zahlen betroffene Familien im Durchschnitt.
Wer die Verlierer dieses Systems sind, ist klar: die Kinder von Eltern, die sich das nicht leisten können.
Natürlich tragen auch 185 schulfreie Tage im Jahr nicht dazu bei, dass der Lernstoff kontinuierlich in die Köpfe der Schülerinnen und Schülerinnen gelangt: trotzdem: Ferien, endlich.