Meinung/Kolumnen/Knecht

Der Trost von Fremden

Wenn man plötzlich auf die Hilfe Fremder angewiesen ist, ist es ein Glück, wenn man an diese Fremden gerät.

Doris Knecht
über Krankenhauspersonal

Es ist kein angenehmer Moment, wenn man begreift, dass man für die nächste Zeit hilflos ist, angewiesen auf die Fürsorge anderer, auch Fremder. Ein Knöchelbruch markiert z. B. so einen Moment. Pech.

Ein Rettungsauto voller freundlicher junger Sanitäter brachte einen ins Wilhelminenspital, wo von der ersten Minute an alle nur nett waren, aufmunternd, tröstend und hilfsbereit, von der Krankenschwester, die einen aufnahm, über die Herren, die einen herumschoben, über den Arzt, der einem die Diagnose und die weitere Vorgangsweise mitteilte, bis zum Anästhesisten, der einen betreute und bei Laune hielt, während vis-à-vis der grünen Plane eine Chirurgin den Knöchel reparierte.

Dennoch: Wenn man Wien nur vom Bett der Unfallstation im Wilhelminenspital sehen würde, würde man denken, dass es eine eher ärmliche Stadt mit einem nicht vollkommen ausgeprägten und gerade noch so funktionierenden Sozial- und Gesundheitswesen ist. Gut, es hat wieder geschneit und die Straßen sind glatt, doch damit ist im Winter eigentlich zu rechnen … Aber in Wien sperren Spitäler, und auch Ambulanzen haben offenbar gerade geschlossen: Es sind nicht nur alle Zimmer bis auf den letzten Platz besetzt, es stehen auch draußen, den gesamten Flur entlang, bis zu acht Betten mit Patientinnen und Patienten. Es gibt je zwei Herren- und Damen-WCs für alle Patienten und Besucher der Station. Viele der PatientInnen sind greise, zum Teil demente Damen und Herren, die manchmal nicht mehr wissen, wofür dieses vierzinkige Werkzeug gut sein soll, das da neben dem Teller liegt. Und es kommen ständig neue dazu, die von mitunter stark übermüdeten Ärztinnen und Ärzten aufgenommen werden. Die überarbeiteten Schwestern und Pfleger bewältigen die anfallende Arbeit teilweise nur, indem sie über den Flur laufen statt gehen –, und dabei sind sie immer heiter, freundlich und hilfsbereit.

So gesehen: Wenn man plötzlich auf die Hilfe Fremder angewiesen ist, ist es ein Glück, wenn man an diese Fremden gerät.