Nackte Zehen, überall
Von Doris Knecht
Man schwitzt endlich wieder, es ist schön.
über das Wetter
Ich will jetzt keinen Namen nennen, aber ich habe ehrlich schon jemanden stöhnen gehört, wie schwül es nicht sei. Kaum auszuhalten, zumal erst Ende April. Ungefähr alle anderen: Ma, toll, endlich. Facebook ist voller nackter Zehen, fotografiert von den Menschen, die daran hängen; dahinter Balkongitter, Hängematten, die in blühenden Bäumen enden, blaues Wasser, grüne Wiesen, brüllende Forsythien.
Aber es stimmt, es ist auch merkwürdig. Man fährt aufs Land; vorletztes Mal, als man hier war, trieb man noch Scheibtruhen voll Holz durch tiefen Schnee, weil der Winter nicht und nicht enden wollte. Jetzt ist schlagartig Hochsommer, man fährt man mit dem Zug durch fett grünende Landschaften. Erst Ende April, aber die Sonne brennt schon so laut durchs geöffnete Fenster, dass man einen Sonnenbrand fürchten muss. Vis à vis leuchtende Teenager in kurzen Hosen und ärmellosen Leiberl, die auf ihre Smartphones eintippen. Im Vorbeifahren beobachtet man einen tätowierten Mann, der grünes Wasser aus seinem Swimmingpool schöpft: Normal dürfen die Kinder in einem Monat mit R nicht einmal barfuß gehen, jetzt werden überall die Pools in Betrieb genommen und viele Freibäder haben schon geöffnet, und mit was? Mit Recht. Man schwitzt endlich wieder, es ist schön.
Natürlich werden wir uns von dem hochsommerlichen Natur-Getue auch heuer wieder täuschen lassen und wieder die Jungpflanzen, die wir an diesen Wochenenden bei der Reinsaat, der Arche Noah und den vielen Setzlingsmärkten erstanden haben, viel zu früh einsetzen. Und dann das ganze erfrorene Zeug wieder ausgraben und wegschmeißen: Letztes Jahr, vergessen wir das nicht!, hat es in den Nacht vom 17. auf den 18. Mai noch gefroren und in weiten Teilen Niederösterreichs Marillen, Erdbeeren und natürlich Paradeiser ruiniert. Und die frostempfindlichen Gurken. Und die Zucchini und Kürbisse. So gesehen: Lieber schwimmen als Gartenarbeit. Ist ja auch viel zu heiß dafür.