Meinung/Kolumnen/Knecht

Jetzt an den Winter denken

So ist Sommer, so geht das, so fühlt sich das an, endlich wieder

Doris Knecht
über den Sommer

Das könnte sich ein bisschen zur Woche der Dankbarkeit entwickeln. Mit gutem Grund, weil man heute kurz vor fünf Uhr Früh aufgewacht ist; einfach, weil es draußen schon taghell war. Man schlug die Augen auf, fand weißes Licht vor, strahlenden Morgen, noch frische, aber milde Luft im offenen Fenster, sah auf die Uhr, und dachte sich: herrlich, Sommer.

So ist Sommer, so geht das, so fühlt sich das an, endlich wieder. Tag, schon so früh!Und weil’s noch so früh ist, kann man liegen bleiben, zum Fenster hinaus in den Morgen schauen, und sich, ganz bewusst, der Morgen vor ein paar Monaten erinnern, ja, ein paar Wochen erst. An die finstern, kalten Wintermorgen, wenn man sich Tag für Tag in bitterer Dunkelheit aus den warmen Federn quälen musste, an denen spiegelnde Fensterscheiben tiefschwarzen Tag präsentierten. Man begann ihn damit, sich Schicht um Schicht Textiles anzulegen, damit man für die Fröste im Freien gewappnet war. Nicht wegdenken! Erinnern Sie sich! Jetzt!

Weil nun: Licht! Wärme! Sandalen! Ein luftiges Nichts von Garderobe, an einem warmen Freitag, dem ein noch wärmeres Wochenende folgen wird. Und bevor diesem Wochenende, an dem endlich die 30-Grad-Marke übersprungen werden wird, das große Jammern über die Hitze beginnt, und die Klagen über die viel zu heiße Sonne und über das Elend der Transpiration, vergessen wir nicht, wie es im Winter war und wieder sein wird.

Kurz das Frieren in den Füßen memorieren, und in den Fingern, wenn an einem eiskalten, grauen Wintermorgen die Bim nicht daherkam. Das Zwicken der Kälte an den Ohren und auf der Stirn, wenn wir die Haube vergaßen. Die kahlen Bäumen, die grünlos graue Stadt. Und noch einmal: die Finsternis, die uns winters von vier Uhr Nachmittags bis acht, halb neun Uhr Früh stabil umhüllt, die uns finstere Gedanken macht und uns viele Gefühle fühlen lässt, und die meisten davon sind nicht schön. Jetzt dagegen. Sommer!