Jetzt erst Knecht: Einen Tag lang Frau sein, Herr Leitl
Von Doris Knecht
Das beweist vor allem eines: Leitl ist eindeutig keine Frau. Er hat noch nie wie eine Frau gearbeitet und wurde noch nie wie eine Frau entlohnt: nämlich für die gleiche Arbeit um durchschnittlich ein Drittel weniger als Männer, und das seit eh und je. DAS ist entwürdigend. Und dass Leitl der Meinung ist, diese massive Ungerechtigkeit sei hinzunehmen, irgendwie werde schon alles von selber gut. Wird es eben nicht. Nie. Eine gute Fee soll Leitl für einen Tag, nur für einen ganz normalen Wochentag, in eine Frau verwandeln. Eine berufstätige Frau, die mit einem Kollegen ein Büro teilt, der fürs Gleiche viel mehr verdient, und der ihr bei Beförderungen vorgezogen wird. Denn Männer fallen nun einmal nicht durch Schwangerschaft aus, oder weil sie sich um kranke Kinder und andere pflegebedürftige Verwandte kümmern müssen, das muss Frau Leitl schon verstehen.
Nach der Arbeit geht Frau Leitl heim und verrichtet durchschnittliche eineinhalb Stunden länger unbezahlte Hausarbeit als ein Mann: Sie kauft ein, kümmert sich um die Kinder, kocht, wäscht und putzt. Am nächsten Tag geht Frau Leitl wieder ins Büro, um dort erneut ein Drittel weniger zu verdienen als ihr Kollege. Wenn nun der Frau Leitl während der Mittagspause, als sie schnell Schulsachen für die Kinder besorgt, jemand auf die Schulter tippt und sagt: Liebe Frau Leitl, ich bin hier, um Ihnen zu einem gerechteren Einkommen und Dasein zu verhelfen, es gibt da eine ganz einfache Möglichkeit. Würde Frau Leitl dann sagen: Gehen Sie weg, Sie entwürdigen mich total! Aber klar.