Jetzt erst Knecht: Das ist halt Folklore
Von Doris Knecht
Von einem Freund habe ich gerade eine nette Geschichte gehört: Er fuhr gestern mit der Straßenbahn, als ein alter Herr einstieg – unter lautem Gesang. Sehr lautem Gesang. Wofür er sich auch sogleich bei den anderen Fahrgästen entschuldigte: "Ihr verzeihts, ich mach’ den Robert Plant von Led Zeppelin nach." Das gefiel einem Fahrgast gar nicht: Er wollte wissen, ob der Mann denn auch die Beatles draufhabe. Aber leider: Die Beatles konnte und kannte der Sänger bedauerlicherweise nicht.
Irgendwie sehr wienerisch das. Im guten Sinn. Entspricht auch schön dem Klischee vom Wiener Charme, den der Wiener Schauspieler Christoph Waltz kürzlich in einer amerikanischen Late-Night-Talkshow anhand des Unterschiedes zwischen dem deutschen und dem österreichischen Charakter erklärt hat. Dieser lasse sich, meinte Waltz, am ehesten mit jenem zwischen einem Schlachtschiff und einem Walzer vergleichen. Und er sagte noch etwas: Die Wiener seien erstens sehr höflich und zweitens meinten sie es nicht so. Leider.Denn auf der anderen Seite des Wienerischen ist es ja leider nicht so gemütlich. Gerade hat die UNESCO den Ball des Wiener Kooperationsringes zum "immateriellen Kulturerbe" erklärt: Auf dem Ball geben sich alljährlich deutschnationale Burschenschafter und rechtsextreme Politiker aus ganz Europa ein fröhliches Stelldichein bei Tanz und Tralala.
Die Hofburg hat den Veranstaltern deshalb heuer den Raum verwehrt; die UNESCO sieht das offenbar nicht so streng. Und gibt damit allen Kritikern recht, die immer schon behauptet haben, das Rechtsextreme gehöre zur österreichischen Folklore: Hiermit wäre das jetzt offiziell und besiegelt.
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