Meinung/Kolumnen/Knecht

„Hohes Maß an Eigenverantwortung“

Was, wenn Eigenverantwortung nicht mehr gegeben ist?

Doris Knecht
über Senioren am Steuer

Nun zu den versprochenen Reaktionen auf die beiden Senioren-am-Steuer-Kolumnen. Zwei waren besonders bemerkenswert: einerseits das Mail von Leserin Susanne H. Deren Vater, lebenslang ein leidenschaftlicher Autofahrer, leistete sich einen neuen Audi A4. Mit 80, als er bereits Hörgeräte trug. Die Tochter war alarmiert. Mit 84 wurde er bei Regen und Dämmerung so unsicher, dass er nur noch 40 km/h fuhr. Und dann tat er etwas, das seine Tochter überraschte: Er verkaufte das Auto und erwarb stattdessen eine Jahreskarte der Wiener Linien, mit der er noch heute unterwegs ist. Sie sei, sagt Frau H., stolz auf ihren Vater: zu Recht.

Ein interessantes Mail schickte mir auch Claudia S., deren Stiefvater vor zwei Monaten im Alter von 94 Jahren verstarb. Davor war er jahrelang schwer dement und in einer hohen Pflegestufe. Er habe Windeln getragen, nicht mehr selbstständig essen können, nachts die Toilette nicht gefunden. Seinen Führerschein aber habe nie eine Behörde zurück verlangt oder für ungültig erklärt, schreibt die Stieftochter, die sich „für ALLE Autofahrerinnen regelmäßige Gesundheitschecks“ wünscht. Schließlich würden ja auch die Pkw regelmäßig auf ihre Verkehrstüchtigkeit überprüft – wieso nicht deren Lenkerinnen und Lenker?

Dazu schickte mir eine Leserin einen interessanten Briefwechsel mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit. Dort hatte sie in diesem Sinne angefragt, aus Sorge um ihre 80-jährige Mutter, die ihren Führerschein trotz offensichtlicher Fahruntüchtigkeit nicht freiwillig abgeben wollte. Die Antwort: es handle sich „bei einer Einführung einer Führerscheinbefristung mit Gesundheitschecks in erster Linie um eine politische Frage“, aber auch „ um eine Frage, bei der ein hohes Maß an Eigenverantwortung der jeweiligen Lenker gefragt ist.“ Das zeugt von einem hohen Maß an Problemverkennungswillen. Was eben, wenn dieses Eigenverantwortungsbewusstsein nicht mehr gegeben ist? Und wer macht die Politik?

Schon wieder zu klein, dieses Kastl. Wir bleiben dran.