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Herrn Obamas Gespür für Schmäh

Ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, wie unglaublich nicht alltäglich das noch vor zwanzig Jahren war

Doris Knecht
über gleichgeschlechtliche Beziehungen

Das Video der Woche: wie US-Präsident Obama Schauspielerin und Talk-Host Ellen DeGeneres die Freiheitsmedaille umhängt. Vor allem: seine kleine Laudatio dazu. Wir werden, das wage ich zu prophezeien, Obamas Gespür für Schmäh noch so furchtbar vermissen, genauso wie seine klare, unbestechliche Haltung.

In dieser Laudatio verwies Obama auf die jetzige Selbstverständlichkeit gleichgeschlechtlicher Beziehungen in unserer Kultur und darauf, dass das eben nicht immer so war; gar nicht so war. Er erinnerte daran, dass Ellen eine der Ersten war, die sich im damals größten Medium der Welt, dem Fernsehen, als homosexuell outete. Daran, was für eine Bedeutung das hatte, nicht nur für die LGBT(Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender)-Community, sondern für alle. Wie Ellen, das beliebte, lustige Mädchen von nebenan mit ihrem Coming-out das ganze Land in Richtung Gerechtigkeit schob. Und welches Risiko sie dafür eingegangen war. Und dass sie damals wirklich einen hohen Preis für ihre Tapferkeit gezahlt hatte: wie ihre Karriere ins Stocken geriet.

Auch für uns hier ist LGBT heute alltäglich und längst ein Teil unserer weltlichen Kultur. Aber ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, wie unglaublich nicht alltäglich das noch vor zwanzig Jahren war: wie sehr die lesbische und schwule Community nicht nur um jedes Stückchen Gleichberechtigung und Freiheit kämpfen musste, sondern auch darum, für ihre sexuelle Orientierung nicht mehr kriminalisiert zu werden: Paragraf um Paragraf.

Vor ein paar Wochen adoptierte das erste homosexuelle Paar in Österreich ein Kind, und es gab nicht einmal mehr eine Aufregung deswegen: vor 20 Jahren undenkbar. Und völlig unerhoffbar. Wir sind einen weiten, steinigen Weg gegangen und weit gekommen. Und das sollten wir nicht vergessen, gerade jetzt nicht. Wir sollten nicht der Idee verfallen, das sei alles nichts wert, alles nur Establishment-Tralalala, oder alles eh selbstverständlich. Das ist es nicht. Das ist erkämpfte Freiheit, und sie ist schnell wieder weg.