Fake it till you make it
Von Doris Knecht
Zu Ihrer unendlichen Überraschung finde ich die neuen Wiener Ampeln super.
über die weltoffene Stadt Wien
Zu Ihrer unendlichen Überraschung finde ich die neuen Wiener Ampeln super. Nur ein paar Dutzend der Abertausenden Wiener Ampeln wurden verändert, und die ganze Welt berichtet über die schwulen und lesbischen Ampelpärchen, von der BBC bis zur Washington Post, mit einem Lächeln und einem schmunzelnden Abnicken. Insofern ist die in den sozialen Medien in den letzten Tagen ebenfalls Abertausend Mal gestellte und gerne mit betrübten Emoticons dekorierte Frage beantwortet, ob Wien das Geld denn nicht sinnvoller ausgeben könne: wohl kaum. Das ist einmal eine gelungene Tourismuswerbung: geringer Aufwand, enormer Effekt. Tolle Idee, wer immer sie hatte.
Sie passt zum aktuellen Image von der toleranten, liberalen, weltoffenen Stadt Wien, die sich dieser Tage ganz schön herausputzt für den Life Ball und den Song Contest. Ganze Kaffeehäuser umwickeln sich mit rosa Schleifen, überall werden Song-Contest-Teilnehmer und -Besucher freundlich begrüßt und geleitet. In den Grünstreifen der Stadt stecken Dutzende rot-weiße Herzen – deren Funktion sich allerdings nicht recht erschließt. Wien präsentiert sich als freundliche, moderne Stadt, abseits verstaubter Klischees und das steht uns gut.
Natürlich lässt sich einwenden, dass Wien in Wirklichkeit nicht annähernd so lieb, nett und tolerant ist, wie es jetzt tut, zumindest für die Zeit bis nach dem Song Contest. Aber kennen Sie den Satz: Fake it till you make it? Oft reicht für eine Veränderung oder Verbesserung schon, dass man konsequent so tut, als ob. Also, wenn Wien und die Wienerinnen und Wiener lange genug so tun, als ob sie keine unfreundlichen Grantler wären, wirkt das vielleicht auch nachhaltig.
Auch hier wieder: Hat man einen Gedanken einmal durchgedacht, ist er nicht mehr fremd. Hat man etwas Ungewöhnliches – oder etwas, das man als ungewöhnlich empfindet – oft genug gesehen, wird es schließlich alltäglich und ganz normal.
Man könnte es auch den Conchita-Effekt nennen.