EU-Einheitstomaten für alle

Es ist – und hiermit wird heuer die Paradeisgrenze (PG) erstmals überschritten – noch nicht vollends geklärt, ob im Autorinnengarten dieses Jahr Paradeiser wachsen werden. „Auf keinen Fall“, sagt der Gatte, „geben wir heuer wieder Geld für irgendwelche irren Setzlinge von Arche Noah und Reinsaat aus, damit du dann, wie vergangenes Jahr, im November eine einzige Schüssel leptosomer Tomaten erntest.“ Hm.

Wenn’s nach der EU geht, haben wir dieses Problem bald nicht mehr. Das EU-Saatgutrecht wird gerade überarbeitet, und geht es nach der Industrie, wird der freie Tausch von Saat- und Pflanzgut zwischen Bauern und Gärtnern bald strafbar. Dann dürfen Samen alter Paradeiser und anderen Gemüses nicht einmal mehr verschenkt werden. Dann wird es keine Arche Noah mehr geben, keine Reinsaat und keine kleinen Setzlings- und Samenbörsen, die werden alle in die Illegalität abrutschen.

Was ein Mensch mit einem einigermaßen gesunden Menschenverstand vollkommen abartig findet, wird in der EU ganz ernsthaft erwogen: Den Bauern, den Gärtnern und auch Ihnen und mir zu verbieten, Saatgut frei zu tauschen und damit den Weiterbestand vieler Gemüse- und Getreidesorten zu sichern. Stattdessen sollen Bauern und Gärtner, wie in den USA, nur noch amtlich zugelassenes Saatgut verwenden und verkaufen dürfen. Totale Vereinheitlichung, totale Kontrolle.

Wen es interessiert, wie das konkret ausschaut, was das für Folgen hat, wie das Menschen, Tiere, Landschaften, die Nahrung und das ganze Land ruiniert, kann das in aller Drastik in Robert Kenners unfassbarem Dokumentar-Film „Food Inc.“ anschauen (z. B. auf YouTube), der das moderne, monopolisierte agrarische Amerika untersucht. Was er findet, ist beängstigend. Wer auf keinen Fall will, dass es auch in Europa so endet, kann die Petition „Freiheit für die Vielfalt“ unterzeichnen, zum Beispiel bei www.global2000.at. Und schnell ein paar alte Paradeiser-Sorten anpflanzen, bevor es verboten wird.