Es gibt geeignetere Feindbilder

Guten Morgen ohne Sorgen“, postet der junge Mann am 3. Jänner um acht Uhr Früh, „und einen erfolgreichen Tag, liebe Leute“. Plus ein Smiley. Am Tag davor hat er Truthahn mit Rotkraut und Knödel gegessen und davon auf Facebook Fotos online gestellt; 18 Personen gefällt das.

So weit, so gewöhnlich; Fotos ihrer Mahlzeiten posten die Menschen ja gern. Besagter Mann nimmt sie allerdings überwiegend in der Vinzi-Rast ein: Der 25-Jährige ist obdachlos, nachdem er erst seine Arbeit und dann seine Wohnung verloren hat. Seit 1. Jänner postet er auf Facebook als „Vinzi Gast“ nun täglich Fotos und Berichte aus seinem Leben: Er geht in die Bücherei, er spaziert durch Wien, er trifft in der Mariahilfer Straße Bekannte, er sortiert in der Vinzi-Rast Wäsche, er isst. Dieses Facebook-Daseinsprotokoll ist eine Idee der Vinzi-Rast und soll, in Echtzeit, „Einblicke in das wahre Leben als Obdachloser“ ermöglichen. Fast 3000 Menschen folgen Vinzi Gast schon.

Weil wir gerade auf Facebook sind: Dort wurde in den vergangenen Tagen häufig das Erscheinen der Sternsinger dokumentiert, mit teilweise verstörender Bösartigkeit. Das ging von „bloß nicht aufmachen“ bis zu „dem Gscher die Tür vor der Nase zuwerfen.“ Mir ist diese Gehässigkeit gegenüber Jugendlichen, die, ganz ohne Gage, drei Tage lang durch die Kälte marschieren und um Spenden bitten, absolut unbegreiflich. Sie sangen im Übrigen für ganz konkrete Hilfsprojekte: heuer für Mädchen in Nairobi, die auf der Straße leben, oder für Bauernfamilien in Nepal. (Detaillierte Info: www.dka.at) Man braucht kein gläubiger Katholik zu sein, um das anerkennens- und unterstützenswert zu finden: Es gibt wahrhaft geeignetere Feindbilder als diese jungen Menschen.

Ich gehe natürlich davon aus, dass Sie freundlich Ihre Türe aufgemacht und ordentlich eingeworfen haben. Falls nicht, kann man noch nachspenden, zum Beispiel mit einer SMS mit dem Betrag an 0676 800 60 70. Lasst uns das Jahr mit Freundlichkeit beginnen.