Einen Kopf größer sein
Von Doris Knecht
Einen Kopf größer sein.
über Jugendliche mit Migrationshintergrund
Vorgestern in einem Lokal auf den N. gewartet, und bei der Gelegenheit wieder einmal einen „Augustin“ gekauft und gelesen, Ausgabe Nr. 356. Dabei bin ich auf ein Gespräch gestoßen, das mich beeindruckt hat. Kerstin Kellermann interviewte die beiden Mitglieder der Wiener Rap-Gruppe EsRAP, die Geschwister Esra und Enes, die mit ihren türkischen Eltern in Wien aufgewachsen sind. Die beiden jungen Leute sagen in dem Interview viel Kluges, Erhellendes und auch Berührendes über ihre Situation als Jugendliche der zweiten Generation.
Ihre Eltern kamen nach Wien, um ihren Kindern bessere Chancen bieten zu können, als sie selber hatten, Bildung und Ausbildung vor allem. Vor allem die 22-jährige Esra tritt mit dem gesunden Selbstbewusstsein einer jungen Frau auf, die in zwei Kulturen zu Hause und mit zwei Muttersprachen aufgewachsen ist, und das völlig zu Recht als Vorteil und Chance begreift. Der Vater, ein Bauspengler, sage immer: „Sei einen Kopf größer als ich“, erzählt seine Tochter im „Augustin“-Interview. Was für Jugendliche mit Migrationshintergrund allerdings noch immer schwierig sei: „In der Hauptschule wirst du zu einer Lehre hin gefördert, niemand redet vom Gymnasium“. Esra besuchte trotzdem ein Gymnasium, schaffte die Matura, studiert jetzt.
Die Geschwister erzählen auch von Arabeske, der Musik, mit der sie aufgewachsen sind und die einfließt in ihre eigene Musik. Und von der Bedeutung von Musik in ihrer Familie: „Bei uns zu Hause kommen jeden Abend mein Vater, meine Mutter und Enes in mein Zimmer, und es wird eine Stunde Musik gehört.“ Das Bild von zwei Generationen einer Familie, die sich jeden Abend trifft, um zusammenzusitzen und gemeinsam Musik hören: das ist sehr schön. Auch was Esra über ihre Mutter sagt: „Sie gibt mir viel Freiheit, auch wenn sie Kopftuch trägt. Kunst ist Freiheit, sagt meine Mutter.“ Solche Mütter und Töchter, Väter und Söhne: wir brauchen mehr davon.