Meinung/Kolumnen/Knecht

Eine eigene Stimme, eine große Kraft

Ich habe schon. Per Briefwahl. Es war ganz einfach

Doris Knecht
über die Wien-Wahl

In genau einer Woche wählt Wien. Ich habe schon. Per Briefwahl. Es war ganz einfach: Ich habe online (www.wien.gv.at) eine Wahlkarte bestellt, sie kam nach zwei Tagen. Ich habe die beiden Wahlzettel ausgefüllt, in das Wahl-Kuvert gesteckt, es zugeklebt und in das Briefkuvert gesteckt. Ich habe das Kuvert an der vorgesehenen Stelle unterschrieben, verschlossen und portofrei in einen Briefkasten gesteckt. Fertig. Ich habe meine Stimme abgegeben. Meine Stimme zählt, nächsten Sonntag, die nächsten fünf Jahre.

Vor fünf Jahren, bei der Wien-Wahl 2010, haben 32,37 Prozent der wahlberechtigten Wienerinnen und Wiener nicht gewählt. Das sind 370.431 Personen, die auf ihre Stimme verzichtet haben und auf die Möglichkeit, mitzubestimmen.

Nur zur Erinnerung: in einem Nachbarland, in Liechtenstein, durften bis 1984 Frauen nicht wählen. Sie hatten keine Stimme. Nur Männer hatten eine Stimme – Väter, Söhne, Brüder, Ehemänner – und sie stimmt halt auch für ihre Frauen, für ihre Mütter und Schwestern. Der Kampf um das Frauenwahlrecht dauerte Jahrzehnte, bis er Erfolg hatte. (Apropos, weil’s irgendwie zum Thema passt: Ein sehr großer schwedischer Textil-Konzern hat jetzt T-Shirts mit der Aufschrift "Feminism" im Sortiment. Feminismus ist jetzt modisch. Auch das ist ein Erfolg, irgendwie.)

Auch deshalb bedeutet es so viel, eine eigene Wählerstimme zu haben. Und während ich viel früher einmal, bei anderen Wahlen, das Nichtwählen als eine vertretbare Form der Willensentscheidung und der politischen Mitsprache verteidigt habe, bin ich nun vollkommen anderer Meinung: Man muss mit der Stimme, die man hat, laut sprechen, mitsprechen, mitbestimmen. Unter anderem, damit es sicher ist, dass wir alle, die wir eine Stimme haben, diese Stimme auch behalten. Und damit das Recht, mitzuentscheiden, wie die Dinge in dieser Stadt laufen: für Frauen und Männer, Wienerinnen und Nicht-Wiener, für Kinder und ihre Bildung, für Verkehrsteilnehmer und Bewohner. Für das Klima in dieser Stadt, darüber, wie man miteinander und auch mit den Schwächeren und Stimmlosen umgeht.

2010 haben in Wien 370.431 Personen darauf verzichtet, ihre Stimme abzugeben. Fast ein Drittel der Wahlberechtigten. Mögen es diesmal viel, viel weniger sein.