Danke, Amy Shumer!
Von Doris Knecht
Der Pirelli-Kalender war, seit man denken kann, ein alljährliches Geschenk an die Männer und deren Instinkte.
über Änderungen beim Pirelli-Kalender
Der Pirelli-Kalender beweist: Die Welt steht ganz offensichtlich nimmer lang. Denn der 2016-Kalender überrascht nun tatsächlich auch Menschen, die nicht mehr viel überrascht, weil sie schon länger auf dieser Welt sind und weil sie Internet haben.
Der Pirelli-Kalender war, seit man denken kann, ein alljährliches Geschenk an die Männer und deren Instinkte. Oder genauer: An das, was gemeinhin als männlicher Instinkt gilt, nämlich, dass ihr ganzes Denken und Sein um Sex kreist und um perfekte, sexy Frauenkörper, oder das, was gemeinhin als perfekter, sexy Frauenkörper galt.
Heuer ist alles anders. Zuerst im Playboy keine Nackten mehr, und jetzt auch noch der Pirelli-Kalender, zumindest im nächsten Jahr, ein Geschenk an die Frauen. Der Reifenhersteller füllte ihn nicht wie sonst mit Fotos von nackten Models, sondern mit Annie Leibowitz’ Bildern von erfolgreichen Frauen, und bis auf eine alle bekleidet. 2016: Feminismus rules.
Die unbekleidete Frau ist Amy Shumer, die offenbar das Memo nicht bekam. Oder so tut: Auf dem Bild sitzt sie im Slip auf einem Barhocker, mit einem Kaffeebecher in der Hand, und blickt überrascht in die Kamera. Das Foto der 34-jährigen Shumer, die derzeit lustigste Frau Hollywoods, ist ein weiteres in einer Reihe von Frauen-Porträts, deren Protagonistinnen angetreten sind, das Frauenbild als solches zu verändern. Und bei aller Skepsis: Langsam glaube ich, dass das tatsächlich wirkt. Shumer, berüchtigt für ihren brachial-feministischen Humor, trägt ungeniert ihre ganz normale Speckigkeit vor die Kamera, weil etwas Derartiges wie ein weibliches Schönheitsideal – der von Männern entworfene Frauenkörper – nicht existiert. Bzw: endgültig passé sein soll. Die Botschaft lautet nicht mehr: "Nobody’s perfect, bis auf ein paar Ausnahmen", sondern: "Everybody’s perfect", auch du und du und du.
Diese Botschaft wird offensichtlich gehört. Und wenn für ein Jahr auch der Pirelli-Kalender dem neuen Feminismus huldigt: Gut, schadet fix nicht.
doris.knecht Doris Knecht