Meinung/Kolumnen/Knecht

Buchstäblich aufgedrängt

Sie wird Autofahrern, die leichtsinnig mit heruntergedrehten Scheiben unterwegs sind, aufgenötigt.

Doris Knecht
über Gratisblätter

Wer auf der Website der deutschen Tageszeitung taz einen Artikel anklickt, stößt dort seit einiger Zeit nach ein paar Zeilen auf einen dicken schwarzen Balken mit einer Inschrift. Die informiert einen darüber, dass die taz, anders als andere Zeitungen, ihr Online-Angebot nicht kostenpflichtig mache, sondern einen anderen Weg gehe: den freiwilligen Beitrag. Leser und Leserin müssen sich an dieser Stelle mit einem Klick entscheiden, ob sie da mitmachen wollen oder nicht. Wenn man „Nein, jetzt nicht“ oder „Ich zahle schon regelmäßig“ anklickt, verschwindet der Balken und man kann den Artikel ohne Einschränkungen fertiglesen. Klickt man auf „Ja, ich möchte mitmachen“, kann man unkompliziert per Handy, PayPal oder Bankeinzug 50 Cent oder einen Betrag eigener Wahl bezahlen und ebenfalls weiterlesen: Und „sich dabei fein fühlen“, wie es in dem netten kleinen Film im Sendung-mit-der-Maus-Stil heißt, der erklärt, wieso und wofür genau man seinen Beitrag leistet. 151.118 Euro haben taz-Leserinnen und Leser bis zur Stunde freiwillig für die Lektüre der online-taz bezahlt.

In Österreich dagegen werden einem immer häufiger Tageszeitungen nicht nur geschenkt, sondern buchstäblich gratis aufgedrängt. Eine Zeitung, die sich ungeniert nach dem Land benannt hat, die aber, wie die Media Analyse erneut bewiesen hat, immer weniger Leute interessiert, wird jetzt auf der Straße Autofahrern, die leichtsinnig mit heruntergedrehten Scheiben unterwegs sind, förmlich aufgenötigt. So werden einem, mit generöser Unterstützung der inserierenden Politik, Zeitungen nachgeworfen, die man gar nicht will; in der U-Bahn und jetzt auch im Auto.

Dabei weiß mittlerweile jeder, nicht nur taz-Leser, dass etwas Derartiges wie ein Journalismus, der nichts kostet, nicht existiert. Jedenfalls kein Qualitätsjournalismus. Hochwertige, korrekt recherchierte Information, vertrauenswürdige Meinung gibt es nicht umsonst und kann nicht ohne Geld produziert werden. Umsonst gibt’s nur Trash.

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