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Goldenes Vorbild Gleirscher

Da meint man, dass man bei Olympia schon alles gesehen hat, und dann rodelt da auf einmal dieser David Gleirscher daher.

Mario Stecher
über den Tiroler Gold-Rodler

Ein Mann, den bis Samstag kaum wer gekannt hat, nicht einmal in Österreich, holt plötzlich Gold. Genau das sind die Geschichten, die Olympische Spiele so besonders machen.

Nur vom Zuschauen habe ich schon eine Gänsehaut bekommen. Da meint man, dass man bei Olympia schon alles gesehen hat, und dann rodelt da auf einmal dieser David Gleirscher daher. Zum Glück konnte ich seine Siegesfahrt und seinen Jubel gerade noch sehen, bevor ich in den Flieger nach Südkorea gestiegen bin.

Keine Fragen mehr

Diese Goldmedaille tut dem gesamten österreichischen Team gut. Das verringert für alle den Druck, und außerdem hören damit auch gleich die Fragen auf, wann denn nun endlich die erste Medaille gewonnen wird. Zumindest das bleibt jetzt allen erspart, wahrscheinlich aber nicht die Warterei. Der raue Wind, der mir bei der Ankunft in PyeongChang entgegengeweht ist, kann bei diesen Spielen noch zum Spielverderber werden.

20 Hundertstel entscheiden

Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die österreichischen Skispringer den sensationellen Auftritt von David Gleirscher sehr genau verfolgt haben. Das sollte ihnen vor Augen geführt haben, dass bei Olympia auch Außenseiter triumphieren können. Ich würde ihnen jedenfalls wünschen, dass sie ähnlich befreit und unbekümmert auftreten.

Denn eines muss man der österreichischen Skispringer-Mannschaft ja lassen: Sie haben wirklich alles unternommen, um für die Olympischen Spiele nach dieser bisher schwierigen Saison den Turnaround zu schaffen. Aber in einem Sport wie dem Skispringen, in dem am Ende nur Kleinigkeiten entscheiden, sind einem Trainer irgendwie auch die Hände gebunden. Wir reden hier von einem Zeitraum von 20 Hundertstelsekunden, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

So lange, oder besser: so kurz dauert die wichtige Absprungphase.

Go with the flow

Im Erfolgsfall sieht im Skispringen oft alles so spielerisch einfach aus. Das haben wir in diesem Winter zum Beispiel schon beim Tourneesieg von Kamil Stoch gesehen. Oder im vergangenen Jahr bei Stefan Kraft. Der war damals in diesem berühmten Flow-Zustand.

Aber wehe , dir fehlen als Skispringer das Vertrauen und das richtige Gefühl. Dann siehst du dich mit einer Herausforderung konfrontiert, die nur schwer zu bewältigen ist. Und bei Olympischen Spielen wird die Challenge dann noch einmal größer.

Im Idealfall hat ein Skispringer auf der Schanze den Autopiloten eingeschaltet. Dann blendet er alles aus, was links und rechts von ihm geschieht, und er verlässt sich einfach auf seine Fähigkeiten.

Bei unseren Springern habe ich im Moment das Gefühl, dass sie viel zu viel richtig machen wollen und dann noch reagieren statt zu agieren, statt die ganze Geschichte einfach laufen zu lassen. Und wenn das passiert, dann bist du fast schon verloren.

Skispringen ist nun einmal ein richtiger Gefühlssport. Dieses Gefühl lässt sich leider nicht künstlich erzeugen oder herbeireden, das muss von innen kommen. Insofern sind auch für einen Trainer die Möglichkeiten begrenzt.

Deshalb darf man auch nicht die Schuld am Abschneiden nur dem Coach in die Schuhe schieben.

Heinz Kuttin kann zwar den Springern gut zureden, er kann sie aufmuntern oder auch ablenken, aber am Ende geht es auch um die Eigenverantwortung der Sportler. Wenn ein Springer oben auf dem Balken sitzt, dann liegt eigentlich alles nur noch an ihm. Und natürlich an den äußeren Bedingungen, wie wir beim windigen Bewerb auf der Normalschanze gesehen haben.

Was mich für die beiden Springen auf der Großschanze von PyeongChang aber trotzdem positiv stimmt: In kaum einem anderen Sport kann es so schnell auch wieder in die andere Richtung gehen. Im Fall von Österreich müsste es dann ja die richtige sein