Zeitlos
Von Karl Hohenlohe
... es dürfte kaum eine zweifache Oscar-Preisträgerin gegeben haben, die so unbekannt war.
über Luise Rainer
Im Jahre 2009 hatte ich einmal das Vergnügen mit Frau Luise Rainer. Es war in London und Frau Rainer war gerade 100 Jahre alt. Sie bezeichnete sich damals als "altes Frauenzimmer", das sie keineswegs war.
Die gebürtige Düsseldorferin war klein, zart und in ihrer Jugend "nicht sehr sexy", wie sie nebenbei fallen ließ.
Einer der beiden Oscars, die sie in den 30er-Jahren erhalten hatte und in ihrer Wohnung auf einem Bücherregal standen, schien die Zeiten schlechter als sein Kompagnon überdauert zu haben.
Er wirkte fahl, traurig, vom Glanz längst vergangener Zeiten war nichts mehr übrig geblieben. Er war, wie Frau Rainer auf Nachfrage versicherte, eine Kopie. Das Original hatte zu lange als Türstopper gedient, war verbogen und bei einer Übersiedlung hat ihn Frau Rainer einem Transportarbeiter geschenkt.
Nein, Sentimentalitäten waren Frau Rainer fremd. Irgendwo in London steht also ein Original-Oscar. Möglicherweise dient er erneut als Türstopper, vielleicht beschwert er Briefe und Postwurfsendungen, wahrscheinlich wirkt er unerkannt.
Auch Frau Rainer war damals aus dem Gedächtnis der Menschen entrückt, es dürfte kaum eine zweifache Oscar-Preisträgerin gegeben haben, die so unbekannt war. Nein, darunter hat sie nie gelitten, sie lebt nicht in der Vergangenheit, sie würde ständig versuchen, weiter zu lernen. Bei der Verabschiedung zeigt sie noch das Bild mit Albert Einstein, den sie gekannt hat und man denkt sich, die Zeit war ihr gnädig. Das ist jetzt schon einige Jahre her, Luise Rainer verstarb gestern mit 104 Jahren.