Taktgefühl
Von Karl Hohenlohe
Ich habe in seinem Zusammenhang sogar schon das Wort „schreien“ gehört.
über Manieren
Herr Dr. Hohenlohe“, schreibt Elfriede P. aus St. W., „finden Sie nicht auch, dass es heute in der Gesellschaft keine Manieren mehr gibt?“ Dies bekommt man oft zu hören, früher war ja den Menschen vieles besser. Ich vermute jedoch, dass es schon immer Personen gab, die den Knicks nicht korrekt ausführten und dem Handrücken gegenüber der Serviette den Vorzug gaben.
Die Bewertung von Manieren zählt zu den schwierigsten Disziplinen überhaupt. Was den einen noch höflich, ist den anderen schon affektiert, was als noble Zurückhaltung gemeint war, kann als Teilnahmslosigkeit empfunden werden.
Ich habe mich beispielsweise immer gefragt, wieso der Tanzschulgründer Rittmeister Willibald Elmayer-Vestenbrugg die jungen Damen und Herren gerne etwas lauter instruierte. Ich habe in seinem Zusammenhang sogar schon das Wort „schreien“ gehört.
Das Laute hat ja in den Salons gewöhnlich keinen Raum.
Wenn man aber weiß, dass Elmayer-Vestenbrugg ursprünglich als Reitlehrer begann und Ross und Reiter oft über 100 Meter Entfernung lenken musste, wird man es besser verstehen.
Auch Herrn Beethoven begegnete man – vermeintlich – mit großer Unhöflichkeit. Als er der Uraufführung seiner 9. Symphonie beiwohnte und neben dem Dirigenten die Einsätze geben sollte, hielt man die Orchestermitglieder an, den tauben Meister zu ignorieren.
Es klingt roh und ungehobelt, aber hier hätte übertriebene Höflichkeit für Misstöne gesorgt. Taktlosigkeit herrschte übrigens auf beiden Seiten.