Meinung/Kolumnen/GesMBH

Stufenplan

Man wird sie in der Josefstadt vermissen, aber sicher nicht aus den Augen verlieren.

Karl Hohenlohe
über die Josefstadt.

Es sind nur ein paar Stufen. Eine Verbindung von den Garderoben zur Bühne, von der realen Welt in den Kosmos der Fantasie.

Geht der Schauspieler in die Garderobe, ist er noch ganz er selbst, mit jedem Lidschatten, mit jedem Wimpernstrich entfernt er sich mehr von seiner Persönlichkeit, und wenn der Inspizient zum Auftritt ruft, ist er fast schon ein anderer.

Dann geht er hinaus, schreitet durch die dunklen Gänge und steht dann vor den Stufen, die ihn schließlich zur Bühne geleiten.

Vielleicht passiert hier die endgültige Metamorphose, vielleicht verschmilzt hier die Schauspielerin mit der Rolle, verwandelte sich Johanna Niese in die Försterchristl, Ferdinand Raimund in Franz Moor und Paula Wessely in die Kaiserin Elisabeth.

Viele haben sich auf diesen Stiegen „toi, toi, toi“ gewünscht und sind dann als Triumphatoren oder Versager zurückgekehrt. Manche Eleven hat die Angst vor diesen Stufen allen Mut genommen und sie sind anstatt Maria Stuart, Fräulein Else oder Salome Pockerl doch Sekretärin, Ministerialrätin oder Mutter geworden.

Elfriede Ott weiß wahrscheinlich nicht einmal selbst, wie oft sie diese Stufen gemeistert hat.

Am Anfang übersprungen, dann gegangen, später vorsichtig bewältigt und irgendwann ging es nicht mehr.

Die Stufen sind von einer geistigen zu einer körperlichen Grenze geworden. Man wird sie in der Josefstadt vermissen, aber sicher nicht aus den Augen verlieren.