Sterndeutung
Von Karl Hohenlohe
Oben auf der Bühne standen glücklichere Menschen, die sich für unglückliche Menschen einsetzen.
"Wiesn-Herz für die Gruft"
Montagabend bebte das Fest-Zelt auf der Wiener Wiesn. Es war ein Abend der Kontraste und auch aus diesem Grund besonders intensiv.
Vor einem standen dicht gedeckte Tische, gebratene Hühner, Weißwürste, Bier und Brezeln. Hinter einem stand das schlechte Gewissen und konkurrierte ein wenig mit den Leckerbissen.
Oben auf der Bühne standen glücklichere Menschen, die sich für unglückliche Menschen einsetzen. Mitarbeiter, Sponsoren und Freunde der " Gruft", jener Institution, die sich der Obdachlosen angenommen hat.
Während man am kühlen Sauvignon nippte, den Schaum vom Bierglas blies und das Gebäck im süßen Kremsersenf tränkte, drangen Schlagworte wie Unterernährung, Frostblasen, Hunger, zerschlissene Schlafsäcke und Armut an die zunehmend weniger tauben Ohren.
Ich denke nicht, dass man die dringliche Botschaft, der "Gruft" zu helfen, besser transportieren kann.
Doch.
Als Herr Friedle, vulgo DJ Ötzi, während seines Auftrittes innehielt und völlig frei von der Leber, frei von Larmoyanz und frei von jedwedem Buhlen um Mitleid, von seinen persönlichen Erfahrungen als Obdachloser erzählte. Dann ging die Show weiter, gleich stampfte man wieder mit, johlte und klatschte in die Hände, als sich die Strophe "Ein Stern, der deinen Namen trägt" zu Ende neigte.
Und doch schien der Blick der Menschen, die da oben auf den Bierbänken standen, nun geschärfter für die Sorgen jener Menschen, die da unten in der Gruft um ein wenig normales Leben ringen.