Meinung/Kolumnen/GesMBH

Raum-Gleiter

In erster Linie wünscht sich das Publikum Nachrichten aus dem Privatleben der oberen Zwölftausend.

Karl Hohenlohe
über voyeuristische Neigungen.

Auch Gesellschaftsredakteure stellen sich selbst und ihr Œuvre fallweise infrage.

Falls überhaupt, wozu sind wir gut, was will die Leserschaft von uns?

In erster Linie wünscht sich das Publikum Nachrichten aus dem Privatleben der oberen Zwölftausend.

Was frühstücken sie, benebeln sie sich mit Chanel oder Spanisch Leder, küssen sie auswärtig?

Allerhöchsten Genuss jedoch bietet der Blick durch das Schlüsselloch in jene Räumlichkeiten, die sorgsam versperrt die Aussicht auf das Intimste verbieten.

Es ist nur den erfolgreichsten Chronisten des gesellschaftlichen Treibens geschenkt, diesen Schlüssel umzudrehen. Nun ist es allerhöchste Zeit, mich ins Spiel zu bringen.

Opfer meiner voyeuristischen Neigungen war der berühmte Pianist Rudolf Buchbinder, den ich am Feiertag sah.

Gerade hatte er den Schlüssel gezückt, schon war ich ihm unauffällig auf den Fersen. Buchbinder, der sich unbeobachtet glaubte, steckte den Schlüssel in das Schloss und sperrte jenen Raum auf, dessen Bezeichnung vorab ein „Koffer“ ziert. Ich öffnete den Mund, denn vor mir war gähnende Leere.

Alles akkurat aufgeräumt, blitzsauber. Dann fiel mein Blick auf zwei leere Interio-Sackerln inmitten dieser heilen Maybach-Welt.

IKEA im Bernsteinzimmer. „Warum?“, rief ich, sprengte somit mein Inkognito und Buchbinder, der sich von einem hauptberuflichen Voyeur begafft sah, schloss rasch den Kofferraum und fuhr geheimnisumwittert davon.